Jelzin setzt seinen Außenminister vor die Tür

■ Russischer Präsident kündigt Entlassung Kosyrews an. Dieser wird in Moskau für den schwindenden Einfluß seines Landes in der Weltpolitik verantwortlich gemacht

Moskau (taz) – Fast beiläufig gab Präsident Jelzin bei einem Gespräch mit russischen Journalisten seine Absicht preis, seinen Außenminister Andrej Kosyrew zu entlassen. Jelzin warf ihm Unzulänglichkeiten in der Amtsführung vor und bedauerte dessen Unvermögen, die Arbeit zwischen verschiedenen Ministerien zu koordinieren.

Die barsche Abkehr verweist jedoch eher auf andere Gründe für diesen Entschluß: Andrej Kosyrew kann mit seiner über vierjährigen Amtszeit nicht sonderlich zufrieden sein, doch trifft ihn nicht allein die Schuld. In Bosnien zeigte sich der schwindende Einfluß Rußlands. Nicht einmal der Verbündete Milošević in Belgrad hörte aufmerksam auf die Ratschläge aus dem Kreml.

Und auch in der Frage der Nato- Erweiterung gelang es dem Außenminister nicht, die westlichen Partner von der Erweiterung nach Osten abzubringen. Wenig Erfolg hatte Kosyrew auch damit, die Ex- Sowjetunion langsam – zumindest wirtschaftlich – wieder zusammenzufügen, so wie es die Nationalisten und Imperialisten unaufhaltsam fordern. Kosyrew begleitete den Bedeutungsverlust Rußlands als Supermacht, den in Moskau die verschiedensten politischen Kräfte bis heute nicht wahrhaben wollen.

Kosyrews Abgang hat symbolischen Charakter und vollzieht nur nach, was seit langem schon zur Tagesordnung gehört: Rückzug oder Beseitigung der liberalen Kräfte aus der Führungsebene. Kosyrew, der dienstälteste Minister, trat mit den Reformern Jegor Gaidar und Boris Fjodorow an, Rußland in die Weltgemeinschaft zu integrieren.

Jene sind längst von der Bildfläche verschwunden. Kosyrew hingegen vollzog alle Winkelzüge und Kehrtwendungen seines obersten Dienstherren mit. Auch er übernahm ohne mit der Wimper zu zucken die propagandistischen Slogans, die seinerzeit nur die Nationalisten und Chauvinisten für sich gepachtet hatten. Allerdings wich er trotz aller irritierenden Rhetorik nicht vom Grundkurs ab, Rußland an den Westen heranzuführen. Es hatte sogar den Anschein, als würden Präsident und Außenminister sich die Arbeit teilen. Jelzin donnerte öffentlich gegen den Westen, während Kosyrew unter vier Augen beschwichtigte.

Die Entlassung Kosyrews soll den Nationalisten und Kommunisten bei den anstehenden Parlamentswahlen den Wind aus den Segeln nehmen. Womöglich werden noch andere Minister ihren Hut nehmen müssen. Jelzin kann somit die Verantwortung für die erfolglose Außenpolitik von sich abwälzen und Rußlands wiedererlangte Entschlossenheit, eine wichtige Rolle zu spielen und sich gezielt vom Westen abzuheben, zu einem brauchbaren Wahlkampfthema machen. Mit der Haltung in der Nato-Frage und in Bosnien glauben die Kremlherren, einige Punkte machen zu können. Zumal der zaghafte wirtschaftliche Aufwärtstrend noch keinen Stoff für den Wahlkampf abgibt.

Andererseits dürfte die Entlassung Kosyrews in den westlichen Hauptstädten wieder für einige Unruhe sorgen. Auch das mag beabsichtigt sein. Das Gespenst eines Rußlands, das sich wieder abschottet und die Rüstungsspirale ankurbelt, geht wieder um. Aufmerksamkeit ist geboten, den Bogen nicht zu überspannen und Rußland einen gebührenden Platz einzuräumen, was die westliche Diplomatie in den zurückliegenden Monaten großspurig unterlassen hat.

Vielleicht, so die Hoffnung des Kreml, läßt sich auf diese Weise die arg gefürchtete Osterweiterung der Nato verhindern. Noch gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß Rußland seinen außenpolitischen Kurs substantiell verändern will. Es bleibt abzuwarten, was Jelzin nächste Woche anläßlich der Jubiläumsfeierlichkeiten der UNO in New York im Gepäck hat. An Konfrontation kann der Kreml eigentlich kein Interesse haben. Klaus-Helge Donath

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