: Arbeitsunwilligen droht Strafe
■ Sozialhilfeempfänger kündigte Job und wurde verknackt, da er seine Familie nicht mehr unterstützten konnte
Berlin (taz) – Einem Familienvater aus dem Emsland, der eine zumutbare Arbeit verweigert hatte, kürzte das Sozialamt die „Stütze“ um 50 Prozent. Da er daraufhin seine Familie nicht mehr ernähren konnte, wurde er vom Amtsgericht Papenburg wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zu fünf Monaten auf Bewährung verurteilt.
Der 28jährige Mann wohnt mit Ehefrau und zehn Kindern zusammen, die ganze Familie lebt von der Sozialhilfe. Vor einigen Monaten war dem Arbeitslosen ein Job bei einem gemeinnützigen Träger in einer Recyclingwerkstatt für Nähmaschinen und Elektrogeräte angeboten worden, berichtete der Sprecher der Kreisverwaltung Emsland, Günter Wigbers. Innerhalb von sechs Monaten sei der Mann aber nur an 25 Tagen erschienen und hätte den Job dann von sich aus gekündigt. Daraufhin kürzte ihm das Sozialamt die Stütze erst um 30, dann um 50 Prozent. Frau und Kinder bezogen nach wie vor die vollen Regelsätze der Hilfe zum Lebensunterhalt.
Die Kreisverwaltung Emsland verklagte den 28jährigen wegen „Verletzung der Unterhaltspflicht“ gegenüber seiner großen Familie. Es sei das erste Mal gewesen, daß sich die Verwaltung zu einem solchen Strafantrag entschloß, erklärte Wigbers. „Wir wollten damit zeigen, daß wir durchaus gegen arbeitsunwillige Leistungsempfänger vorgehen.“
Das Amtsgericht Papenburg folgte dem Strafantrag und verhängte die Bewährungsstrafe – mit der Pointe, daß der Mann außerdem zu achtzig Tagen „gemeinnütziger Arbeit“ verknackt wurde. Die habe er inzwischen abgeleistet, so Wigbers. Nach vielen Mühen habe man für den Familienvater inzwischen auch wieder einen Job bei einem gemeinnützigen Träger gefunden, den er wahrscheinlich demnächst antreten werde.
Cora Molloy, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen in Frankfurt, nannte die Verurteilung „einmalig. Uns ist bisher kein anderer ähnlicher Fall bekannt.“ Es sei „erschreckend“, daß jetzt gegen arbeitsunwillige Sozialhilfeempfänger schon Freiheitsstrafen verhängt würden. Bisher werde bei Familien, in denen der Haushaltsvorstand eine zumutbare Arbeit ablehne, nur dessen Sozialhilfe gemindert. Barbara Dribbusch
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