Kosyrew soll seinen Minister-Hut nehmen

■ Rußlands Präsident Jelzin kündigt Entlassung von Außenminister Kosyrew an

Moskau (taz) – Rußlands Präsident Boris Jelzin hat gestern in einem Gespräch mit russischen Pressevertretern indirekt die Entlassung seines Außenministers Andrej Kosyrew angekündigt. Auf die Frage, ob er seinen dienstältesten Minister abzulösen gedenke, erklärte Jelzin: „Er arbeitet, er soll weiterarbeiten. Aber meine Entscheidung bleibt. Es gibt keine Personalentscheidung. Wir müssen einen würdigen Kandidaten finden.“ Über einen möglichen Nachfolger wurde bisher nichts bekannt. Außerdem wurden keine Angaben über einen möglichen Zeitpunkt für den Wechsel gemacht.

Jelzin warf Kosyrew vor, die Arbeit zwischen verschiedenen Ministerien nicht zufriedenstellend koordiniert zu haben. Kosyrews Rücktritt war bereits vom russischen Abgeordnetenhaus gefordert worden. Vor allem Nationalisten werfen dem Außenminister vor, er habe in der Balkan- Politik den russischen Interessen nicht genügend Geltung verschafft. Trotz aller Kritik hatte sich Jelzin immer wieder hinter seinen Minister gestellt. Erst im September äußerte er selbst Unzufriedenheit über die Arbeit des Ministeriums.

Obwohl sich auch Kosyrew seit längerem einer Rhetorik befleißigt, die früher nur im nationalistischen Lager Verwendung fand, zählte er dennoch zu den Befürwortern eines prowestlichen Kurses. Washington reagierte besorgt auf die Nachricht: „Viele Leute hier haben zweifellos eine enge Beziehung zu Kosyrew und seinen Vertrauten. Seine Absetzung könnte nicht ohne Folgen bleiben“, meinte ein Sprecher des US-Außenministeriums. Wie aus US-Regierungskreisen verlautete, will Washington bis zur formalen Entlassung Kosyrews mit der Entscheidung warten, ob die Rußland-Politik der USA geändert werden muß. Klaus-Helge Donath Seiten 8 und 10