BND wußte von Srebrenica-Angriff

■ Neben den USA kannten auch deutsche Militärs und der BND die serbischen Eroberungspläne für die UN-Enklave

Genf (taz) – Nicht nur die USA, auch der Bundesnachrichtendienst (BND), deutsche Militärs und möglicherweise sogar die Bonner Regierung waren über die serbischen Angriffspläne auf die UN- Schutzzone Srebrenica informiert. Zudem haben sie Informationen über das Schicksal einiger tausend muslimischer Männer, die seit der Eroberung der Stadt am 11. Juli dieses Jahres vermißt werden. Das ergibt sich aus Angaben eines Bundeswehrgenerals sowie von BND-Mitarbeitern gegenüber der taz.

Am Donnerstag vergangener Woche hatte die taz berichtet, daß die US-Geheimdienste durch Überwachung des Telefon- und Funkverkehrs zwischen dem Generalstabschef Serbiens, Momcilo Perisić, und dem militärischen Oberbefehlshaber der bosnischen Serben, Ratko Mladić, sowie durch Luftaufnahmen unbemannter Aufklärungsflugzeuge über die Angriffspläne und -vorbereitungen informiert waren. Außerdem verfügen die USA über Luftaufnahmen der Massenexekutionen, denen nach Zeugenaussagen mindestens 3.000 der bislang noch vermißten 8.000 männlichen Bewohner Srebrenicas zum Opfer fielen. Die USA gaben ihre Erkenntnisse weder an die UNO noch an die Nato weiter.

Der Bundeswehrgeneral erklärte gegenüber der taz, er habe diese Informationen auf dem Wege des „bilateralen Informationsaustausches“ zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland erhalten. Die USA gäben „90 Prozent aller Erkenntnisse“, die sie in Ex-Jugoslawien durch ihre nationalen Aufklärungsinstrumente gewinnen, an Deutschland weiter. Das sei „mehr als alle anderen Verbündeten erhalten, einschließlich Frankreich und Großbritanien“, und „weit mehr als die Nato erhält“, erklärte der General. Seine Angaben werden von BND-Mitarbeitern bestätigt.

Global gesehen ist zwar Großbritannien seit 1943 wichtigster Austauschpartner der USA auf dem Geheimdienstsektor. Das gilt allerdings nicht für Ex-Jugoslawien. Hier arbeiten die US-Geheimdienste CIA und NSA (National Security Agency) am engsten mit dem BND zusammen. Das Funkaufklärungszentrum Garblingen bei Augsburg ist schwerpunktmäßig mit Ex-Jugoslawien befaßt.

Die deutsch-amerikanische Kooperation wurde noch intensiver, nachdem Washington die Zusammenarbeit mit den britischen und französischen Geheimdiensten im September 1994 weitgehend einstellte, weil die Regierungen in London und Paris dem CIA Einmischung in den Bosnienkonflikt zugunsten der Regierung in Sarajevo vorgeworfen hatten.

Mit Hilfe seiner eigenen Abhöranlagen ist der BND unabhängig von den US-Geheimdiensten in der Lage, den Telefon- und Funkverkehr zwischen Serbien und dem bosnisch-serbischem Territorium zu überwachen. Geheimdienstexperten schließen nicht aus, daß der BND seine Information über die Kommunikation zwischen den serbischen Generälen Perisić und Mladić nicht oder nicht nur von den US-Diensten, sondern durch eigene Abhörmaßnahmen erhalten hat.

Am Dienstag richtete die taz eine schriftliche Anfrage an Regierungssprecher Hausmann, Außenminister Kinkel und Verteidigungsminister Rühe, ob, wann, in welchem Umfang und aus welchen Quellen auch die Bundesregierung informiert wurde. Das Verteidigungsministerium erklärte, der Hardthöhe hätten „von keiner Seite Informationen über konkrete Angriffspläne“ vorgelegen. Das Außenministerium reagierte gestern mit dem „Zwischenbescheid“, zur genauen Abklärung der Frage seien die Geheimdienste eingeschaltet worden.

Andreas Zumach Seite 9