Dönekes von großen Siegen

■ Uraufführung in der Schauburg: Zur „Werder Story“ strömten Werderaner und Veteranen

Am Donnerstag abend war die Bremer Schauburg für einige Stunden Vereinslokal von Werder Bremen. Veteranen und junge Spieler, Pico Schütz und Willy Lemke drängten sich zuerst an der Theke des Cafés und dann in den Kino-saal, um die Uraufführung des ersten Teils des Videos „Die Werder-Story“ zu erleben.

Von der Gründung des Vereins im Jahre 1899 gibt es natürlich nur Fotos, Zeitungsausschnitte und einige Erläuterungen des offiziellen Werder-Historikers Harald Klingbeil. Aber der Regisseur Rolf Wolle ist findig genug, um auch diese Informationen über erste Spielstätten, Kaufmannssöhne und historische Bolztechniken filmisch amüsant aufzubereiten. Das Gruppenfoto der ersten Mannschaft läßt er plötzlich lebendig werden, indem er junge Werderspieler von heute in den nachgeschneiderten Hemden und Hosen von damals vor der Kamera aufstellt und einen von ihnen läßt er auch gleich in der historisch verbürgten Haltung des ersten Torwarts im Tor auf einer Kiste sitzen.

Noch für die Zeit des ersten Weltkrieges hat der Regisseur einen Zeitzeugen gefunden. Und so kommt die Dokumentation schnell in Schwung, denn das Haupttalent von Wolle besteht darin, seinen Gesprächspartnern amüsante Anekdoten aus der Erinnerung zu kitzeln. Dies hat er schon mit seinem Debütfilm über das Bremer Varieté „Astoria“ bewiesen, und auch bei diesem Projekt erzählt er möglichst viel Geschichte durch die Geschichten der Beteiligten zu erzählen. So erinnert sich etwa sein erster Zeitzeuge daran, daß es während des Ersten Weltkriegs bei Strafe verboten war, hoch zu schließen, weil jeder Ball, der über den Zaun flog, vom Konkurenzverein konfiziert wurde, und Lederbälle waren knapp.

Mit einer Ausnahme erzählt Wolle zwar streng chronologisch, aber mit spielerischer Lässigkeit. Die in solchen Dokumentationen übliche Mischung aus Filmaus-schnitten, Interviews, Fotos und Außenaufnahmen ist schnell geschnitten, und wirkt durch Wolles knapp, ironischen Kommentar noch flotter.

Zu jeder Ära findet Wolle mindestens einen interessant erzählenden Zeitzeugen, und so werden sowohl die wenig ruhmreichen Zeiten von 1933-45 wie auch die ersten sportlichen Erfolge der Leichtathleten durch konkret erinnerte Details lebendig. Etwa wenn die Olympasiegerin Marga Petersen noch genau beschreiben kann, wie sie sich fühlte, als sie bei dem Entscheidungslauf als letzte Läuferin die Staffel übernahm. Die 50er und frühen 60er Jahre werden dann durch die Erinnerungen von Fußballveteranen verklärt, die Dönekes von großen Siegen und gemütlichen Vereinsreisen erzählen. Dragan Ilic, Willi Schröder, Max Lorenz – alle dürfen sie ihre Lieblingsgeschichte erzählen, und sogar der Erzhamburger Uwe Seeler erinnert sich mit Glitzern in den Augen daran, wie fies sein Freund Pico Schütz beim Lokalderby Werder gegen HSV plötzlich werden konnte.

Manchmal merkt man, daß das Geld für das Projekt gerade mal so eben gereicht hat: Der Ton ist oft schlecht abgemischt, und ein Spaziergang von Harald Klingbeil am Weserstrand entlang wäre wohl nicht so ausführlich gefilmt worden, wenn Wolle sich einige Wochenschau-Ausschnitte mehr hätte leisten können. Aber meist gelingt es ihm, dieses Manko durch geschickte Regieeinfälle zu kaschieren. Das legendäre erste Tor der Bundesliga etwa, das 1963 im Weserstadion fiel und wegen der Tranigkeit des Kameramanns nicht gefilmt wurde, ließ Wolle kurzerhand nachspielen. Und so sieht man die Veteranen von Werder und Borussia Dortmund fast in der Originalbesetzung von damals im Weserstadion nach genau festgelegter Schußfolge herumbolzen und das Leder (zugegeben recht gemächlich) ins Tor jagen. Dieses Tor wurde in der Schauburg bejubelt, als wäre es gestern erst geschossen worden. Und auch sonst konnten die Werderaner mit der gefilmten Vereins-Chronik hochzufrieden sein. Aber ob es sie wie geplant später auch als Filmkopie oder gar als CD-Rom geben wird, und ob der zweite Teil über die Zeit von 1963 bis heute realisiert werden kann, hängt von den notorisch knauserigen Geldgebern ab. Dabei kann sich der Verein gar keine bessere Werbung wünschen.

Wilfried Hippen