Einmal privat, immer privat

■ Wer sich aus der Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenkassen ausklinkt, kann später kaum wieder zurück. Einige Tricks ermöglichen dennoch die Rückkehr

Ein wenig netter liegt es sich im Krankenhaus schon, wenn nicht gleichzeitig drei weitere, ebenfalls vor sich hin leidende Menschen um einen herum aufgereiht werden. Schon der tägliche Streit aller Besucher um die wenigen Stühle kann den Heilungsprozeß, zumindest subjektiv, erheblich erschweren. Kleine Annehmlichkeiten ermöglicht eine private Krankenversicherung, denn die zahlt Ärzten und Krankenhäusern mehr. „Das sollte sich schon in einer entsprechend besseren, komfortableren Behandlung niederschlagen“, meint Wolfgang Gerstenhöfer. Als einer der Pressesprecher der Deutsche Krankenversicherung AG in Köln hält er den „Status als Privatpatient“ berufsbedingt für außerordentlich erstrebenswert und vor allem lohnend: „Höhere Leistung bei geringerem Beitrag“, lautet die einfache Formel.

Der Beitrag in einer privaten Krankenversicherung richtet sich vor allem nach zwei Kriterien: nach den gewünschten Leistungen und dem Gesundheitszustand des Versicherten. Wer jung und fit ist, als Single nur sich selbst versichern möchte und bereits blendend verdient, zahlt daher erheblich weniger als bei einer gesetzlichen Krankenkasse, die seinen Beitrag an der Höhe des Einkommens berechnet.

Doch diese Rechnung kann, langfristig betrachtet, schiefgehen: Beim Übergang in die Rente etwa fällt der Arbeitgeberanteil weg. Oder eine Familie soll gegründet und auch gleich mitversichert werden. Das kann teuer werden und erhebliche Mengen des zur Verfügung stehenden Geldes verschlingen. Wer dann doch lieber ein Vierbettzimmer in Kauf nähme und sich an eine Kasse wendet, wird dort jedoch begrüßt wie sonst nur die Hunde vor einer Metzgerei: „Ich muß leider draußen bleiben!“

Seit der damalige Gesundheitsminister Norbert Blüm 1989 zumindest Teile seiner Gesundheitsreform durchbrachte, gelten die einst sperrangelweit geöffneten Schlupflöcher für Rückkehrwillige als gestopft: „Einmal privat, immer privat“ heißt das seither ausgegebene Motto. „Wer sich einmal aus der Solidargemeinschaft ausklinkt, soll später auch nicht wieder reinkommen können, weil das gerade günstiger ist. Das wäre ein bißchen zu billig.“ Markus Jochem, Sprecher der Techniker Krankenkasse in Hamburg, findet den „Willen des Gesetzgebers hart, aber ich halte das für richtig“. Schließlich sei es für junge Gutverdienende möglicherweise ein erhebliches Ersparnis, statt des am Einkommen bemessenen Kassenbeitrags den auf ihn und seine Wünsche maßgeschneiderten Vertrag mit der Versicherung abzuschließen: „Wer mit Sicherheit weiß, daß er mit Achtzig noch Single ist, für den kann sich das durchaus lohnen“, lobt der Kassenmitarbeiter die private Konkurrenz nicht ohne Spott. Betriebswirtschaftlich wäre es nach seiner Ansicht für die Kassen interessant, Rückkehrwillige, die sich einmal von ihrer Versicherungspflicht haben befreien lassen, wiederaufzunehmen, doch das verhindert das Sozialgesetzbuch: „Die Befreiung kann nicht widerrufen werden.“

Ganz so hartherzig ist die vielbeschworene Solidargemeinschaft aber nicht; es gibt Möglichkeiten, wieder von der privaten Versicherung zur gesetzlichen Kasse zu wechseln. Vor allem Arbeitnehmer, deren Verdienst unter die sogenannte Beitragsbemessungsgrenze sinkt, können zurückkehren. Wer also in den alten Bundesländern durchschnittlich weniger als 5.850 Mark, in den neuen Ländern weniger als 4.800 Mark (70.200 beziehungsweise 58.000 Mark im Jahr) verdient, darf wieder auf die geöffneten Arme hoffen, „da muß die Solidargemeinschaft wieder einspringen“. Bislang sei es selten, daß ein wirklich gut verdienender Arbeitnehmer, der sich aus Kostengründen für eine Privatversicherung entschieden habe, wieder unter diese Grenze falle, so Jochem.

Allerdings gilt diese Bestimmung als entscheidender Trick für Großverdiener vor der Rente: Sie arbeiten ein Jahr vor ihrem Ausscheiden erheblich weniger, um mindestens zwölf Monate lang unter dieser Grenze zu liegen. Denn damit erwerben sie die Möglichkeit, sich auch als Rentner freiwillig in der gesetzlichen Krankenkasse weiterzuversichern.

Krankenversicherungspflichtig sind auch Arbeitslose, die Anspruch auf Mittel der Bundesanstalt für Arbeit haben. Privatversicherte Arbeitnehmer, die ihren Job verlieren, müssen daher keine Angst haben, daß ihre Arztrechnung nicht mehr bezahlt wird. Auch diese Notfallabsicherung kann kurz vor der Rente ein Schritt zum sparsameren Ruhestand sein: Wer nicht bis zum letzten Tag arbeitet, sondern alles hinschmeißt und sich das letzte Jahr arbeitslos meldet, wird so pflichtversichert und kann die Versicherung freiwillig weiterführen.

Solche Hintertüren sind Selbständigen verwehrt: Sie haben, wenn es mal nicht so läuft, nach drei Jahren Selbständigkeit keinen Anspruch mehr auf Mittel der Bundesanstalt für Arbeit. Insofern können sie sich auch später nicht wieder freiwillig pflichtversichern. Dennoch in die Arbeitslosenversicherung einzuzahlen, um sich diese Möglichkeit offenzuhalten, ist unmöglich, wie Franz-Josef Rabneck vom Landesarbeitsamt Nordrhein- Westfalen betont: „Es ist eine Pflichtversicherung. Eine freiwillige Mitgliedschaft gibt es nicht.“ Christian Arns