Rapunzel: In Kürze an die Börse

■ Nach dem Millionen-Desaster wegen Unterschlagung im vergangenen Jahr hat sich die Rapunzel Naturkost AG wieder erholt. Das Allgäuer Unternehmen will eine echte Öko-Aktie anbieten

Seit 20 Jahren ist die Allgäuer Rapunzel Naturkost AG mittlerweile im Geschäft. Mit einem Jahresumsatz von 60 Millionen Mark gehört das Unternehmen zu den größten der Öko-Lebensmittelbranche. Wurde anfangs der Firmengründer und heutige AG-Vorstand Joseph Wilhelm noch mitleidig belächelt, zählt sein Betrieb heute mit rund 100 MitarbeiterInnen zu den anerkannten Spezialunternehmen. Innerhalb der nächsten Monate nun will Rapunzel mit einer ersten „echten“ börsennotierten Öko-Aktie zeigen, daß die Branche ihren Kinderschuhen allmählich entwachsen ist.

Rapunzel, 1990 aus einer Kommanditgesellschaft in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, hat heute ein Grundkapital von 4,5 Millionen Mark und mehrere Hundert Aktionäre. Die Aktien werden zur Zeit exklusiv von dem auf ökologische Anlageformen spezialisierten Vermögensberater Michael Schäfftlein aus Hilchenbach im Siegerland außerbörslich gehandelt. War bei der ersten Kapitalerhöhung 1991 eine Rapunzel- Aktie mit Nennwert von 50 Mark noch für 233,50 Mark zu haben, zahlte man später – noch immer wenig aufregend – allenfalls zwischen 240 und 250 Mark.

Richtig spannend wurde es dann im April vergangenen Jahres, als die größte Krise in der Geschichte der Rapunzel AG offenbar wurde: Der Finanzprokurist Manfred Knoll hatte mehrere Jahre lang unentdeckt mehr als vier Millionen Mark unterschlagen und bei unseriösen Warentermingeschäften verschleudert. Daraufhin wurde der offizielle Handel der Aktie zunächst ausgesetzt und erst Wochen später wieder aufgenommen, als schließlich klar wurde, daß Rapunzel sich von diesem schweren Schlag wieder erholen würde. Preis nach dem Desaster: 176 Mark.

Inzwischen ist die Gesellschaft saniert: Eine Kapitalerhöhung von nominal 750.000 Mark zu 200 Mark pro Aktie wurde im Herbst 1994 über Schäfftlein erfolgreich durchgeführt, womit ein Großteil der Schadenssumme wiederbeschafft werden konnte. Zudem wurde ein Controlling-System für Finanzen und Lagerung eingerichtet. Zum ersten Halbjahr 1995 erwirtschaftete Rapunzel einen Gewinn von 977.000 Mark. Wenn das zweite Halbjahr ähnlich verläuft – und der Umsatz steigt kontinuierlich zweistellig –, wird bei einem Geschäftsergebnis von knapp zwei Millionen Mark und 90.000 Aktien ein Gewinn von mehr als 20 Mark pro Aktie zu verbuchen sein, die inzwischen wieder für rund 250 Mark gehandelt wird. Das Kurs- Gewinn-Verhältnis würde dann etwa 12 betragen. Wer also vor eineinhalb Jahren richtig einkaufte, kann heute guten Gewinn verbuchen.

Zwar kann trotz des Unternehmensgewinns in diesem Jahr – bedingt durch einen hohen Verlustvortrag – keine Dividende gezahlt werden, aber der Verlustvortrag ist durch Kapitalrücklagen voll gedeckt. Für die Börseneinführung wird ein Emissionskurs von mindestens 280 Mark erwartet, so daß bis dahin auf der heutigen Basis mehr als 10 Prozent Kursgewinn möglich sind. Danach kann es noch interessanter werden, denn auch andere Neuemissionen dieses Jahres haben sich sehr gut entwickelt. So kostete – sicherlich ein extremes Beispiel – die 5-Mark-Aktie der Sero Entsorgungs AG, die für 22,50 Mark ausgegeben wurde, in Spitzenzeiten 61 Mark.

Es sei jedenfalls „ziemlich sicher, daß sich die Öko-Fonds um die neue Rapunzel-Aktie reißen werden“, prophezeit Michael Schäfftlein. Das wiederum lasse gute Kurse erwarten. Der Vermögensberater hofft, daß sich dann vielleicht auf Rapunzel-Aktien „manche Leute einlassen werden, die vorher noch nie eine Aktie besessen haben“. alo

Kontakt: Michael Schäfftlein, Ökologische Vermögensberatung, Stift- Keppel-Weg 12, 57271 Hilchenbach. Tel. (02733) 8570 und 2525, Fax: (02733) 7912