■ Vor Antibabypillen wird gewarnt
: Lehren ziehen? – unbekannt

Die Geschichte scheint sich zu wiederholen, nur einzelne Facetten sind verändert. Ein neues Medikament wird mit großem Werbeaufwand und viel Vorschußlorbeeren auf dem Markt plaziert. Und dann dauert es nicht lange, bis die ersten unerwünschten Nebenwirkungen registriert werden. Spätestens jetzt müßten eigentlich die behördlichen Arzneimittelwächter aktiv werden.

Im Fall der niedrigdosierten Antibabypillen haben sie wie so oft versagt. Darüber kann auch nicht die Warnung der britischen Behörden hinwegtäuschen. Schon bei der Zulassung der niedrigdosierten Antibabypillen gab es „Bauchschmerzen“. Und es verging dann auch kein Jahr, bis Frauen über gesundheitsschädliche Nebenwirkungen klagten. Die Meldungen wurden immer besorgniserregender: Durchblutungsstörungen bis hin zu Lungenembolien und Schlaganfällen sind sicherlich nicht als geringfügig abzutun. Die ersten Todesfälle wurden mit den Mikropillen in Zusammenhang gebracht.

Seit nun schon über fünf Jahren brüten die Arzneimittelbehörden über den Akten. Mehr als eine halbherzige Warnung ist ihnen bisher nicht eingefallen. Die Datenlage reiche zu weitergehenden Maßnahmen nicht aus, heißt es in den Ämtern. Wie oft haben wir diesen Spruch schon gehört? Ist der Contergan- Skandal schon vergessen? Was ist mit der Lehre, die Gesundheitsminister Horst Seehofer angeblich aus dem Skandal um HIV-verseuchte Blutprodukte gezogen haben will? Das Bundesgesundheitsamt (BGA) ist in mehrere Einzelinstitute zerschlagen. Aber das allein kann es doch nicht gewesen sein. Im Arzneimittelinstitut, eine der Nachfolgebehörden des BGA, haben wir es mit den gleichen Akteuren zu tun, die schon bei dem Blut-Skandal durch ihre Ignoranz aufgefallen und für die hohe Zahl an HIV-Infizierten mitverantwortlich sind.

Die Verantwortlichen verstecken sich wieder einmal hinter den Experten. Während von der Pharmaindustrie aufgefahrene Wissenschaftler den Mikropillen eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellen, warnen kritische Stimmen vor der Gefahren. Die bisher bei den Behörden registierten Fälle von Nebenwirkungen sollten eigentlich eindeutig sein. Selbst hinter der undurchlässigen Fassade des Arzneimittelinstituts ist längst ein Streit ausgebrochen. Die Forderung einiger Mitarbeiter nach Sofortmaßnahmen stößt auf den Widerstand der Institutsleitung. Seehofer zumindest kann diesmal nicht sagen, er habe von nichts gewußt. Mehrere Dienstaufsichtsbeschwerden sind bereits auf seinem Tisch gelandet. Wolfgang Löhr