■ Ökolumne
: Alle Macht den Schnittstellen! Von Thomas Pampuch

Man ist ja selber schuld, wenn man als gemeiner user auf eine Computer-Software-Fachmesse wie die Münchner „Systems 95“ geht. Aber schließlich haben wir in der FAZ gelesen, daß die einschlägige Industrie gerade die „Schnittstelle zum Menschen“ als Defizit entdeckt hat. Da steht man doch nicht abseits, da bietet man sich doch an zum log-in für die Digitalhaie. Wer, wenn nicht wir ollen 3-86er mit unser nie ganz verarbeiteten Philosophie des Escape-Return ist denn besser geeignet, die Industrie endlich zu neuen Ufern zu bringen? Plug & Play, wir sind dabei.

So begrüßt uns auch gleich eine junge Dame von Dragon Dictate ganz herzlich, um dann mit abgehackter Stimme einen (schaurig bürokratischen) Text in ein Mikro zu rülpsen. Und Wunder, o Wunder, das alles erscheint wie von Geisterhand fehlerfrei geschrieben auf ihrem PC. Da haben wir schon gestaunt, vor allem als sie zum Schluß einfach „geh schlafen!“ sagt und sich der PC gehorsam zur Ruhe legt.

Schnittstelle Mensch, da ist sie. Sprich mal wieder mit deinem PC, er wird's dir lohnen.

Derart hoffnungsvoll gestimmt, lassen wir uns auf einem Stand der Lehrerfortbildungsanstalt Dillingen des Bayerischen Kultusministeriums in die Schnittstelle Schule einweisen. Locker sitzt da ein Musiklehrer und haut in die Tasten – seines Keyboards. Denn auf seinem PC, dessen Oberfläche er overhead an die Wand schmeißt, hat er das interaktive Ullstein-CD-Rom-Musiklexikon geladen. Das spielt ihm multmedial von der „Toccata und Fuge“ nebst Bild von Bach und Partitur bis zum Stichwort Bratsche oder Sopran die Musikgeschichte rauf und runter. Sogar Dirigent kann der Pauker (oder die Schüler) spielen. Auch da haben wir wieder gestaunt, was es alles schon gibt. Ein paar ältliche Lehrer haben uns dann aber sorgenvoll vom generation gap an den bayerischen Schulen erzählt, wo wegen des langjährigen Einstellungsstops eine ganze Lehrergeneration (die der um die 30jährigen) weitgehend fehle. Und nun müßten sich halt vor allem oldies mit den Software-Innovationen herumschlagen. Da bekämen die Kids schon manchmal Lachkrämpfe, vor allem wenn sie dann auch noch die dazugehörige Schul-Hardware zu Gesicht bekämen.

Tröstlich ist, daß ein Gutteil der nicht eingestellten Lehrer beizeiten auf Computerfritze umgesattelt zu haben scheint. Jedenfalls ist die „Systems“ voll von dieser Gap-Generation mit ihren schönen Anzügen und auch sonst sehr dynamischen Benutzeroberfläche. In der Multimedia-Halle wird einem die connectivity, das edutainment und unitainment nur so um die Ohren gehauen. Compu-Serve-Disketten („Die ganze Welt per Tastendruck“) kriegen wir als giveaway nachgeschmissen. Mit dem „Soundblaster“ (als Plug-'n'-Play-Soundkarte plus Software) könnten wir glatt ein „Creative Multimedia Deck“ samt Wave Studio, 256-Spur-Sequenzer sowie benutzerfreundlichen Drag-and-Drop und Cut-and-Paste-Befehlen erwerben. Und damit, wenn wir es richtig begriffen haben, am heimischen PC-Herd unsere eigenen schrägen Musiksendungen zusammenkochen.

Schon 1980 hat der amerikanische Futurologe Alvin Toffler in seinem Buch „The Third Wave“ die „elektronische Hütte“ als die Stätte eines neuen Produktionssystems „mit atemberaubenden Möglichkeiten eines sozialen Wandels“ geweissagt. Und hat als ehemaliger leftie gemeint, in der damals anbrechenden PC- Kultur läge ein ungeahntes revolutionäres Potential. 15 Jahre später sind wir voll drin in der elektronischen Hütte. Nur mit dem sozialen Wandel scheint es nicht ganz so zu klappen. Irgendwie haben es die Computer samt ihrer Spezialisten geschafft, aus dem versprochenen (befreienden) gesellschatlichen Wandel eine fade kapitalistische Trendhopping-Veranstaltung zu machen. Vielleicht sollten wir nun, wo's geht, mal ein ernstes Wort mit unseren PCs reden. Auch wenn's von der anderen Seite des gaps kommt: „Wacht auf, Verpluggte dieser Erde! Alle Macht den Schnittstellen!“