Tanz um den Wahltermin in Rom

■ Nach dem Mißtrauensvotum gegen Justizminister Mancuso durch die Regierungsmehrheit setzt die Opposition unter Berlusconi auf Neuwahlen

Rom (taz) – Italiens Politik wieder in schweren Gewässern: Nachdem die Mitte-Links-Mehrheit des Senats Justizminister Mancuso das Mißtrauen ausgesprochen hat, sucht die um den im vergangenen Winter gestürzten Silvio Berlusconi gescharte Rechte unversehens die Entscheidung, um Neuwahlen zu erzwingen. Noch in der Nacht nach der Abstimmung hat der Chef von „Forza Italia“ angekündigt, seine Fraktion werde nun unverzüglich einen Mißtrauensantrag gegen das gesamte Technokratenkabinett von Lamberto Dini einbringen.

Numerisch hat der Antrag keine schlechten Aussichten: Die Lage ist anders als im Januar, wo neben den Linksdemokraten und der aus Berlusconis Administration ausgeschiedenen Lega Nord auch noch ein Teil der Neokommunisten und der aus den zerfallenen Christdemokraten hervorgegangenen Italienischen Volkspartei bei der Investitur der Administration Dini für diese gestimmt hatten. Die Rifondazione comunista, wiewohl inzwischen numerisch durch den Auszug eines Drittels sihrer Mitglieder geschwächt, will nun ebenfalls Neuwahlen, und die Volkspartei hat sich inzwischen gespalten, knapp die Hälfte dümpelt derzeit im „Rechtspool“ Berlusconis.

Allerdings darf sich auch Berlusconi seiner Mitstreiter nicht rundum sicher sein: Die kleineren Parteien, die zu seiner Allianz gehören, sind ebenso wie die neu hinzugekommenen Abspalter der Volkspartei strikt gegen Neuwahlen. Sie wollen sich erst neu organisieren. So hat sich der rechte Flügel der Volkspartei gerade in Vereinigte Christdemokraten (CDU, in betonten Anspielung an Kohl) umbenannt.

Berlusconi versucht mit seinem Schritt fast schon verzweifelt einen Wettlauf mit der Zeit: Würden die beiden Häuser des Parlaments sofort aufgelöst, fänden noch im Dezember oder spätestens Anfang des Jahres Neuwahlen statt. Und das läge noch vor dem 17. Januar, an dem der erste große Bestechungsprozeß gegen ihn beginnt. Schon brökelt seine Gefolgschaft. Der Fraktionssprecher von Forza Italia im Abgeordnetenhaus, Dotti, hat bereits erklärt, daß Berlusconi nicht als Allianzführer auftreten könne, solange er mit dem Prozeß beschäftigt sei.

Gegen sofortige Neuwahlen ist jedenfalls Staatspräsident Scalfaro. Er kann durchaus auf Zeit spielen, indem er langatmige Sondierungen im Parlament durchführt und wechselnde Kandidaten mit dem Versuch einer neuen Regierungsbildung beauftragt. Linke wie Rechte fürchten derzeit vor allem eines: daß der derzeitige, nur als Technokrat eingestiegene Dini hinreichend Gefallen an der Politik gefunden hat, um nun eine eigene Formation anzuführen, die der Moderaten. Das würde beiden Lagern so viele Stimmen kosten, daß sie nicht regierungsfähig wären – und Dini wahrscheinlich als Regierungschef schlucken müßten in einer Koalitionsregierung. Werner Raith