■ Schöner leben
: Nie mehr verlieben

Es gibt viele Gründe, sich nicht zu verlieben: Verschlafene Termine, verschwitzte Hemden oder die damit einhergehende Verwirrung. Erst unlängst habe ich mich auf dem Weg zu einem Rendezvous total verfahren. Den allerwichtigsten Grund haben Sie spätestens jetzt erkannt: Drei Buchstaben lenken vom eigentlichen Verb lieben ab und führen ins Verderben. „ver- signalisiert das Ende eines Vorgangs“, heißt es im Duden. Der inneren Verzweiflung nicht nachgebend, konsultieren wir noch Erich Fromm. Der gibt uns den Rest: „Tatsache ist, daß man die Intensität der Vernarrtheit, dieses gegenseitigen 'Verrücktseins' nach dem anderen, als Beweis für die Intensität der Liebe hält, während es doch nicht mehr ist als der Beweis für den Grad der vorhergegangenen Einsamkeit“. Wie gut, daß wir uns verfahren haben!

Warum verpassen wir solch einem schönen Gefühl ein solch häßliches Präfix? Wie wäre es stattdessen mit er-? Sogar der Duden ist diesmal auf unserer Seite: Das Gegenteil von ver-blühen ist er-blühen. Ab heute wollen wir uns nicht mehr ver-lieben, sondern wir er-lieben uns. Politisch Korrekte können sich sie-lieben.

Stellen wir uns nun folgende Szene vor: Schlichtes Restaurant in der Peripherie, freundlicher Kellner im mittleren Alter, leiser Geigenspieler im Hintergrund. Gedämpftes Kerzenlicht. Und als ob Don Juan De Marco souffliert, greift er sanft ihre Hand und haucht ein zärtliches: „Du? Was ich dir schon immer mal sagen wollte: Ich bin total erliebt in dich!“ (Wie das putscht! Man spürt förmlich das Happy-End nahen.) Sie errötet leicht und sagt mit einem seligen Lächeln: „Ja! Ich bin auch sieliebt in dich!“ Und alles wird gut. In ein bis zwei Jahren sind sie bestimmt schon ver-heiratet. Luigi La Grotta