Kein Baum auf den Teerhof

■ Bewohnerinnen hätten's gern heimeliger. Planungsamt: keine „Niedlichkeiten“

„Bitte keine Niedlichkeiten am Teerhof!“ echauffierte sich Reinhold Lührs vom Planungsamt. „Das ist nicht Stadt! Das ist nicht Teerhof! Das haben wir nicht gewollt!“ Dabei hatte ein Teerhofbewohner nur verschämt nach etwas mehr Grün gefragt. Lürs erzürnt: „Und kommen Sie mir jetzt nicht mit Rosengarten oder Blumenrabatten! Wir wollen auf dem Teerhof nicht Klein-Habenhausen!“ Sauber soll es sein, das Planungsamt sei deshalb auch gegen einen Spielplatz. („Bloß keine Sandkästen!“) Reinhold Lührs stritt am Donnerstag vor dem Beirat Neustadt/ Woltmershausen für die einstige Teerhof-Idee, als wäre es ausschließlich seine eigene: Sich aus der Weser-Auenlandschaft langsam herausschwingen und Neustadt und Altstadt verbinden mit etwas, das eben Stadt sei. Des weiteren gehörten zur Vision Dienstleistungen und das Kulturforum.

Wie weit diese Vision Wirklichkeit geworden ist, berichtete Werner Schorling von der Teerhof-Baugesellschaft: Alle 220 Wohnungen sind verkauft bzw. vermietet. Ebenso die 16 Gewerbeeinheiten. Mit deren Belegung sei man jedoch nicht so glücklich. Je ein Restaurant, ein Café und eine Kneipe mit Biergarten habe man angestrebt, gelungen sei nur das Café. „Nach anfänglichen Schwierigkeiten ißt man dort auch gerne“ (Schorling). Selbst das anderthalbjährige Becircen dreier großer deutscher Brauereien habe nichts genutzt.

Keine Teerhofkneipe, kein Restaurant im großen Turm – das ist die traurige Zwischenbilanz, obwohl die Baugesellschaft immer noch Sonderangebote parat hält – von Mietfreiheit auf Zeit bis zu Staffelmieten bis zu fünf Jahren. Ab 1996 zeigt nun oben im Turm der Weserbund die Ausstellung Lebensraum Weser. Werner Schorling: „Kunst statt Bier ist auch nicht das, was wir wollten, aber immerhin.“

Während also die Teerhofplaner für ihr kühles Stadtkonzept fochten, wünschten es sich die BewohnerInnen etwas gemütlicher mit mehr Wohnqualität. Sie wollen die häßliche Lücke neben dem Uni-Gästehaus schließen („vielleicht hierhin diese Tonne, dieses Kunstwerk von Sol LeWitt?“) und einen sicheren Zugang von der Wilhelm-Kaisen-Brücke, ohne gleich totgefahren zu werden.

Der Zugang wurde von Reinhold Lührs zugesagt. Gegen das Kunstwerk hätte er wohl auch nichts, aber bitte keinen Baum mehr – wegen der Tiefgarage konnte der eine, in der Mitte geplante nun halt nicht gepflanzt werden.

Die rauhe Bodenoberfläche bedauere er inzwischen, sagte Lührs, das sei nun wirklich nichts für Kinderroller oder kleine Füße. Aber die Leute hätten das ja vorher gewußt. Zwölf Kinder wohnen übrigens auf dem Teerhof (zur Erinnerung: in 220 Wohnungen). Zu Geduld und Mut rief der Stadtplaner die Teerhof-Leute auf: „Mut, die Balkone anständig zu bepflanzen, man sieht es ja an Block eins und zwei, wie intensiv der Efeu jetzt schon einwirkt.“

Und was hatten dazu die Beiräte zu sagen? Nicht viel – die SPD-Fraktion bekräftigte schwach die Wichtigkeit des Phantomprojekts Kulturforum und der Brautbrücke über die Kleine Weser und warb bei den anderen Parteien für beides. Janine Müller von den Grünen erkundigte sich nach dem Verbleib des Ablösegeldes für den nicht eingerichteten Spielplatz. Da waren die Planer überfragt. sip