Eine Kaffeefahrt ins soziale Abseits

■ Schwäbische Flüchtlingsgruppen prangern die fünf schlimmsten Asylunterkünfte an

Augsburg (taz) – Die Busreise in einem poppig lackierten Reisebus begann wie eine Kaffeefahrt nunmal beginnt: mit einer Tasse Kaffee und einer freundlichen Begrüßung. 14,99 Mark kostete die ganztägige Tour, deren Ziel freilich nicht der Verkauf von Wolldecken oder Kochtöpfen war, sondern die Besichtigung der fünf übelsten Asylunterkünfte im bayerischen Regierungsbezirk Schwaben.

Im Rahmen der „Ersten asylpolitischen Kaffeefahrt“ wurde den Unterkünften die „Goldene Abrißbirne“ verliehen. Die TeilnehmerInnen waren jedoch eher von jener Klientel, die man sonst bei Kaffeefahrten nicht findet: Haupt- und Ehrenamtliche aus der Flüchtlingsarbeit, Politiker und an der Asylproblematik interessierte Bürger. Eingeladen zu dem ungewöhnliche Ausflug hatten der Verein „Tür an Tür – miteinander wohnen und leben e. V.“ und der „Freundeskreis Asyl Schwaben“.

Was die Reisegäste an diesem Samstag zu sehen bekamen, war mitunter erschütternd, berichteten viele nach dem Ausflug. „Es war ein Ausflug ins menschliche Elend“, meint Matthias Schopf- Emrich, selbst hauptberuflicher Flüchtlingsberater und Vorstandsmitglied im Verein „Tür an Tür“.

Besonders betroffen waren die Teilnehmer, als sie die beiden ehemaligen Pershing-Raketenstellungen „Ochsenhof“ im Oberallgäu und die „Lehmgrube“ im Landkreis Neu-Ulm besichtigten. Weitab von jeder menschlichen Behausung leben dort Asylbewerber zusammengepfercht in ehemaligen Kasernen. „Die Wachtürme und der Stacheldrahtzaun zeigen, daß wir Gefangene sind“, sagte ein Asylbewerber und erntete dafür verständnisvolles Nicken. „Unmenschlich“, kommentierten übereinstimmend die mitreisenden Politiker, „man möchte sich schämen“. Schämen konnten sich Kommunal- und Bundespolitiker von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Nicht mitschämen konnten sich hingegen Parlamentarier von FDP und CSU: Sie sagten aus terminlichen Gründen ab.

So hätten sie sich Konversionsmaßnahmen, also die zivile Nutzung einstmals militärischer Anlagen, nicht vorgestellt, erklärten die Landtagsabgeordneten Christine Görtz und Harald Güller (SPD) sowie Elisabeth Köhler und Raimund Kamm (Grüne). Etwas makaber mutete später auf der Weiterfahrt zu einer anderen „menschenunwürdigen Asylunterkunft“ (Schopf-Emrich) die Versteigerung von zwei Asylbewerber-Lebensmittelpaketen an. Plötzlich war greifbar, was sonst vielen nur von Diskussionen her bekannt ist: was es heißt, den Bedarf des täglichen Lebens in Form von Naturalien vorgesetzt zu bekommen.

Vorausgegangen war der eigenwilligen Kaffeefahrt eine detaillierte Erhebung der Flüchtlingsinitiativen. Haupt- und Ehrenamtliche hatten neunundzwanzig schwäbische Asylbewerberheime nach einem 20-Punkte-Katalog bewertet. Fünf Unterkünfte wurden als besonders schlimm eingestuft und diesen Lagern galt der Besuch. „Einzig mögliche Konsequenz ist hier der Abriß“, kommentierte Thomas Körner-Wilsdorf von Verein „Tür an Tür“. Daß dann beim Augsburger Fabrikschloß alle fünfzig Teilnehmer am Eingang ihren Ausweis abgeben mußten, machte einmal mehr deutlich, wie der Alltag von Asylbewerbern aussieht. Klaus Wittmann