Prügelnde Polizisten werden angeklagt

■ Der Haupttäter bleibt straffrei. Hamburger Skandal wird Justizaffäre

Hamburg (taz) – Gegen drei Polizisten, die an den schweren Mißhandlungen des Journalisten Oliver Neß beteiligt waren, hat die Staatsanwaltschaft jetzt Anklage wegen Körperverletzung im Amt, Freiheitsberaubung und Nötigung erhoben. Doch der der eigentliche Haupttäter, der Zivilfahnder Andreas V., wird nicht dafür zur Rechenschaft gezogen werden, daß er auf der Demonstration gegen der österreichischen Rechtsradikalen Jörg Haider im Mai vergangenen Jahres die Übergriffe überhaupt erst angezettelt hat.

„Heute bist du dran!“ schrie ein Zivilfahnder den als linken Journalisten bekannten Neß an, bevor Andreas V. kurz darauf auf ihn zustürmte und im brutal mit der Faust ins Gesicht schlug. Für diesen ersten Vorfall gibt es vier Zeugen. Die Hamburger Staatsanwaltschaft klagt aber nur die drei Bereitschaftspolizisten an, die anschließend den Journalisten erneut angriffen, ihn zu Boden prügelten, den Schuh auszogen und ihm das Fußgelenk mehrmals verdrehten.

Die zweite Prügelszene, bei der auch Andreas V. wieder dabei war, liegt der Staatsanwaltschaft auf Videoband vor. Weil die erste Mißhandlung nicht filmisch festeghalten wurde, halten die Ankläger es „für ausgeschlossen“, daß Andreas V. dem Journalisten die Verletzungen im Gesicht zugefügt haben kann. Die Version der Opfers sei damit widerlegt. Die staatsanwältiche Argumentation kann man laut Neß-Anwalt Manfred Getzmann „nicht mit Logik und auch mit nicht anderem“ erklären. „Es wird so getan, als gebe es keine Zeugen.“ Dem Hauptzeugen, der beim ersten Angriff direkt neben dem Opfer stand, wurden nicht einmal Fotos von Zivilfahndern vorgelegt, „obwohl er sagt, den Täter mit Sicherheit identitfizieren zu können“, so Neß zur taz . Was auf den Polizei- und TV-Bändern zu sehen ist, nämlich daß Andreas V. dem schreiend auf dem Boden liegenden Neß den Arm umdreht, wird als Unterstützung bei der Festnahme ausgelegt. „Das war praktisch Kollegenhilfe“, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft Rüdiger Bagger.

Daß die Verhaftung unrechtmäßig war, hätte Andreas V. nicht wissen können. „Spätestens jetzt muß man nicht nur von einem Polizei-, sondern auch von einem Justizskandal sprechen“, so Anwalt Getzmann. Silke Mertins