Sanssouci: Nachschlag
■ Vom Recht auf Kunst: Castorf im Gespräch mit Sonnenuhr e.V.
Wenn der Gast ein Fläschchen Wein mitbringt, kann man sich auf einen gemütlichen Abend gefaßt machen. Zu Ehren von Frank Castorf hatte man extra drei original Plaste-Stühle aus VEB-Produktion aus dem Fundus geholt, und da saßen sie nun im Dialog: der Intendant vom Rosa-Luxemburg-Platz, eingerahmt von Klaus Erforth und Gisela Höhne vom Sonnenuhr- Verein. Um „Nähe und Ferne unserer Theaterarbeit“ sollte es gehen. Ein spannender Gesprächsansatz, denn ungewöhnliche Bühnenarbeit machen alle drei Diskutanten. Der eine als Profi- provokateur und sogenannter Stückezertrümmerer. Die anderen als Begleiter bei einem künstlerischen Grenzgang: der Arbeit mit geistig behinderten Menschen im RambaZamba-Theater.
Aber da war der Wein und die intime Atmosphäre im knapp halbvollen Theater im Pferdestall in der KulturBrauerei. Und so verkam der Dialog von Anfang an zum solidarischen Plauderstündchen. Castorf spielte den Moderator. Die üblichen Fragen, die immer gestellt werden, wenn es um Theater mit Behinderten geht. Wie es mit der szenischen Reproduzierbarkeit aussieht (sie ist möglich, wenn auch jede Vorstellung ein gerüttelt Maß an improvisatorischer Unvorhersehbarkeit beinhaltet), ob den Darstellern bewußt sei, was sie machen (ja, aber eher auf der körperlichen als auf der kognitiven Ebene), wo die Grenze zur Therapie liege. Der einzige spannende Moment des Abends. Gisela Höhne machte klar, daß das Hauptprinzip ihrer Arbeit die Akzeptanz sei. „Therapie will helfen. Wir nehmen die Leute in ihrer Andersheit an.“ Castorf verwies wiederholt auf das im eigenen Haus beheimatete Obdachlosentheater. Auch hier käme die von ihm bei RambaZamba bewunderte Naivität und Authentizität zum Vorschein, verlöre sich aber allmählich durch die Routine.
Als einigendes Element nannte man schließlich die Subversivität. Doch wenn zwei Parteien damit voreinander den Hut ziehen, wird selbst dieser Begriff zum Sofakissen. Und so stand denn auch nicht zur Debatte, daß es einen gewaltigen Unterschied macht, ob die Subversion als brachialer Akt auf die Bühne gestemmt wird, oder darin besteht, für Behinderte einzufordern, was für jeden „normalen“ Menschen eine Selbstverständlichkeit ist: das Recht auf Kunst. Gerd Hartmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen