Die Senatsbildung ist eine sekundäre Frage

■ Über Senatsbeteiligung kann in „ein paar Wochen“ diskutiert werden, wenn die SPD über ihren Weg entschieden hat, sagt der Kreuzberger Bürgermeister Peter Strieder

taz: Was hat die SPD falsch gemacht?

Peter Strieder: Es gab Wahlkampffehler, und es gab in den vergangenen Jahren Fehler in der Darstellung sozialdemokratischer Regierungspolitik. Aber das führt nicht zu 23,4 Prozent. Zu einem solchen Wahldesaster kommt es, wenn insgesamt die Menschen nicht mehr wissen, was die SPD eigentlich will, wofür man sie braucht und was ihre gesellschaftliche Vision ist. Der Partei fehlt offensichtlich das Profil.

Erklärt das auch die schweren Verluste in den Bezirken?

Das ist nicht nur ein Problem der Berliner SPD. Das haben wir auch in Frankfurt oder Bremen. In Großstädten mit diesen neuen sozialen Schichten hat die SPD größte Probleme, noch eine Volkspartei zu sein. Deswegen sage ich, an der Niederlage sind eben nicht nur hausgemachte Fehler wie der Streit Schröder–Scharping schuld. Wir müssen die Frage beantworten, welche Rolle die SPD am Ausgang des Jahrhunderts spielen soll.

Was muß gemacht werden?

Keine Wunden lecken, sondern eine programmatische Diskussion beginnen, wie die SPD wieder zu der gesellschaftlichen linken Alternative werden kann. Wir müssen Klarheit in das Bild der SPD bringen. Wir dürfen keine Kompromisse machen, sondern müssen entscheiden – und wenn es nur eine Stimme Mehrheit gibt.

Wäre ein klares Bekenntnis für Rot-Grün notwendig gewesen?

Ich habe das vertreten. Ob das Wahlergebnis dann ein gänzlich anderes gewesen wäre, weiß ich nicht. Es ist den Wählern nicht deutlich gewesen, was eigentlich das Wahlziel war. Wenn das Wahlziel nur ist, irgendwie dabeizusein beim Regieren, dann gibt das natürlich keine Motivation, die SPD zu wählen.

Sollte die SPD wieder in die Große Koalition gehen?

Das ist derzeit für mich eine ganz sekundäre Frage. Die SPD sollte darüber zur Zeit nicht diskutieren. Erst einmal müssen wir uns einig sein, daß es um unser Profil als linke Volkspartei geht. Erst dann kann der Klärungsprozeß beginnen, wie die mittelfristig richtige Taktik zu formulieren ist.

Die Senatsbeteiligung muß aber kurzfristig entschieden werden.

Das sehe ich nicht so. Es ist doch ein Senat im Amt. Ich bin keineswegs sicher, ob der Landesparteitag am siebten November schon entscheidet, wie wir im Parlament agieren. Wir müssen uns Zeit nehmen, mit uns zu ringen und dabei der Stadt vorführen, daß wir uns nicht gegenseitig beschimpfen, sondern daß wir um unseren Auftrag als sozialdemokratische Partei kämpfen. Dann werden alle akzeptieren, daß wir nach einem solchen Desaster ein paar Wochen länger brauchen, um solche Entscheidungen zu treffen.

Muß die SPD jetzt mit der PDS anders umgehen?

Selbst drei von vier SPD-Wählern haben nach Umfragen der rigorosen Absage der SPD an die PDS nicht geglaubt. Das hat damit zu tun, daß wir nicht begründet haben, warum wir mit der PDS nichts zusammen machen. Dies nur als Glaubensbekenntnis zu formulieren, scheint offensichtlich Zweifel an der Ernsthaftigkeit unser Beschlüsse gebracht zu haben. Deshalb sollte die SPD endlich öffentlich die inhaltliche Auseinandersetzung mit der PDS beginnen. Interview: Gerd Nowakowski