Zurück an Bord

■ "Alles im Lot auf'm Boot": Der "Käpt'n Blaubär"-Erfinder Walter Moers hat wieder auf dem Kutter ARD angeheuert

Walter Moers scheint ein Mensch zu sein, den so leicht nichts aufregt; wenn ihn etwas ärgert, läßt er Figuren wie das „Kleine Arschloch“ auf die Menschheit los.

Vermutlich würde Moers das Kleine Arschloch auch gern mal nach Ravensburg schicken. Dort residiert im Hause Ravensburger (die mit dem blauen Dreieck) auch der Otto Maier Verlag. Ravensburger hat irgendwann die Rechte an der zumindest bei Kindern populärsten Figur aus Moers' Feder, dem Seemannsgarn spinnenden Käpt'n Blaubär, gekauft. Neben den üblichen Merchandising- Utensilien gibt es nicht nur große Puppen, die den Akteuren aus dem beliebten „Käpt'n Blaubär Club“ nachempfunden sind (Moers: „scheußlich“), sondern auch kleine Bücher, und die haben es Moers besonders angetan.

Moers hat sich zwar nach 104 Folgen Seemannsgarn für die „Sendung mit der Maus“ von der Produktion (und von den Rechten) verabschiedet, doch natürlich ist Käpt'n Blaubär auch weiterhin untrennbar mit seinem Namen verbunden, wofür nicht zuletzt ein „Goldener Spatz“ beim Kinderfilm- und Fernsehfestival in Gera sowie ein Adolf-Grimme-Preis gesorgt haben.

Um so größer ist Moers' Ärger über die Blaubär-Bücher aus Ravensburg. Im Gespräch läßt er prompt alle höfliche Zurückhaltung fahren. Was man aus seinen Geschichten gemacht hat, findet er „ziemlich gräßlich“, vor allem wegen des zeichnerischen Niveaus der Bücher („bis ganz runter“). Ohnehin sei Käpt'n Blaubär bei Ravensburger „völlig falsch aufgehoben“: Die Figur bewege sich immer mehr in die den ursprünglichen Entwürfen entgegengesetzte Richtung. Der Blaubär werde immer spießiger, und am Schluß, so fürchtet der Zeichner, werden sie ihm noch „das Lügen abgewöhnen“.

Geht es um den „Käpt'n Blaubär Club“ (samstags um 9.03 Uhr in der ARD), wird Moers vorsichtiger – aus gutem Grund: Hier könnte womöglich Porzellan zu Bruch gehen, das noch gebraucht wird. Zwar war auch der Club, gleichfalls von Ravensburger (Abteilung Film + TV), aber unter Federführung des WDR, ohne Moers' Dazutun und keineswegs zu seiner Zufriedenheit konzipiert worden, doch nach 104 Folgen ohne Moers soll es nun wieder mit Moers weitergehen. Das Prinzip wird zwar beibehalten – des Käpt'ns Lügengeschichten als Rahmenhandlung für Serien –, doch inhaltlich tut sich einiges. Am auffälligsten: Schon in naher Zukunft (avisierter Start ist der 23. Dezember) machen die Puppen die Sache wieder unter sich aus; Sybille „Bille“ Wauri, die sich neben dem Käpt'n und seinem selten dämlichen Kumpel, der Schiffsratte Hein Blöd, nie so recht profilieren konnte, muß wieder abmustern. Dafür kehren die drei frechen Enkel zurück auf den ARD- Kutter, und sie bringen neues Personal mit: die vegetarische fleischfressende Pflanze Karin mit der spitzen Zunge und ein pfeifendes Haustier mit dem naheliegenden Namen Flöt.

Außerdem hat sich Moers neue Rubriken ausgedacht: Hein Blöd, ausgerechnet, führt durch die wundervolle Welt der Wissenschaft und stellt bahnbrechende Erfindungen wie den Meteoritenschutzhelm vor; der Käpt'n persönlich kocht in seiner kuriosen Kombüsenküche Delikatessen wie die Murmelmöhren oder den Ekelburger und berichtet von den wirklich wichtigen Ereignissen dieser Welt, etwa dem Weltrekord im Schweinebeleidigen.

Neu sind zum Teil auch die Serien. Neben dem ebenso bewährten wie liebenswerten Vampir Ernest präsentiert der Club die Walt- Disney-Produktion „Duck Tales“ sowie eine der interessantesten Zeichentrickkreationen der letzten Jahre: die computeranimierte Serie „Insektors“ aus Frankreich, durch und durch phantastische und ideenreiche Geschichten von einem fernen Planeten, der nur von Insekten bewohnt wird.

Walter Moers – auf einem Bein kann man nicht stehen – hat derweil ein zweites, ungleich ambitionierteres Eisen im Feuer: Das Kleine Arschloch, Held diverser anarchistischer Comics (die allesamt beim Frankfurter Eichborn- Verlag erschienen sind) und Blickfang aberwitzigster Merchandising-Artikel (unter anderem als Kandelaber oder als Hampelmann, den man am Piephahn ziehen muß), soll das Licht der großen Leinwand erblicken. Das Projekt, ein Zeichentrickfilm (Bernd Eichinger wollte, analog zum „Bewegten Mann“, einen Realfilm, doch Moers winkte ab), befindet sich derzeit noch in der Vorbereitungsphase und soll im Herbst 1996 in die Kinos kommen.

Die Zwischenzeit vertreibt sich Moers literarisch: Käpt'n Blaubär wird Romanfigur. Das Buch soll sich, wie der ursprüngliche Blaubär auch, wieder an Jugendliche und Erwachsene richten. Die Frage nach dem Verlag erübrigt sich fast; es ist, natürlich, Eichborn. Tilmann P. Gangloff