Der Chefredakteur hat kapiert

Nur wenige Zeitungen, Fernseh- oder Radiosender in Rumänien sind unabhängig, ein Großteil von ihnen wird von Parteien finanziert  ■ Aus Bukarest Keno Verseck

Lächelnd thront der Senator in seinem mächtigen Sessel hinter dem breiten Schreibtisch, umgeben von Telefonen. In eines davon diktiert er freundlich, aber bestimmt seine Anweisungen: „Den Staatspräsidenten auf die erste Seite, oben links, das Bild nicht zu groß und nicht zu klein. Oder nein, warten Sie! Besser in die untere Hälfte, gleich unterm Bruch! Das Bild an den linken Rand! Die Überschrift nicht zu groß, aber nehmen Sie für den Text einen Kasten, die Linien dünn! So ist es diskreter und fällt trotzdem auf.“ Der Chefredakteur hat verstanden.

Szenen wie diese spielen sich in Rumänien vermutlich bei den meisten Zeitungen, Fernseh- und Radiosendern ab. Senator Viorel Salagean macht sich nicht mal die Mühe, seinen Einfluß auf die Presse zu verheimlichen. Er ist nicht nur Abgeordneter im rumänischen Oberhaus, sondern auch Direktor zweier Zeitungen: der Adevarul economic (ökonomische Wahrheit) und des Romanian Business Journal. Vor dem Sturz des Diktators Ceaușescu im Dezember 1989 war er hoher Funktionär in der Kommunistischen Partei, zuständig für den Bereich Journalismus, und Mitarbeiter des KP-Organs Scînteia (Der Funke).

Salagean ist nur ein Beispiel unter vielen. Politik und Journalismus hingen in Rumänien aber auch schon vor der Machtergreifung der Kommunisten mehr zusammen, als dem Gewerbe guttat. Zur Tradition der kurzlebigen rumänischen Demokratie in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen gehörte weniger eine unabhängige Berichterstattung als vielmehr eine ideologische und der Parteipolitik verpflichtete Publizistik. Stellvertretend dafür stand in den zwanziger und dreißiger Jahren Nicolae Iorga, der alles in einem war: Historiker, Parteiengründer, Politiker, Publizist, Herausgeber von Zeitungen und Ministerpräsident.

Die rumänische Medienlandschaft ist heute zur Hälfte von solchen „Universalisten“ und zur Hälfte von ehemaligen kommunistischen Hofberichterstattern geprägt. Nur wenige Zeitungen, Fernseh- und Radiosender sind wirklich unabhängig, ein Großteil der Medien wird direkt oder indirekt von Parteien finanziert. Geschäftsführer oder Chefredakteure sind führende Parteipolitiker oder vertreten stramm die Linie einer bestimmten Partei.

Auch „unabhängige“ Medien haben ihre Tabus

Das gilt vor allem für die Medien der Regierungskoalition. Adrian Paunescu etwa, früher Ceaușescus Hofdichter, ist heute Vizechef der nationalistischen „Sozialistischen Partei der Arbeit“ und Herausgeber chauvinistischer Zeitungen. Der Direktor des rumänischen Staatsfernsehens TVR wird informell vom Staats- und offiziell vom Ministerpräsidenten eingesetzt. Anweisungen für Sendungen kommen aus dem TVR-Studio der Regierung.

Auch die Medien, die nicht direkte Anhängsel des Staatspräsidenten, der Regierung oder der Koalitionsparteien sind, haben ihre Tabus. In der großen Tageszeitung RomÛnia libera (Freies Rumänien) sind die Parteien und Organisationen des Oppositionsblockes „Demokratischer Konvent“ eine heilige Kuh. Denn Chefredakteur Petre Mihai Bacanu ist eine einflußreiche Führungsfigur im Konvent. Oder die Wochenzeitung 22, eigentlich das Flaggschiff der unabhängigen rumänischen Presse. Allzu kritische Artikel über die Politik der demokratischen Oppositionsparteien werden manchmal mit dem Zusatz versehen, daß sie nicht die Meinung des Blattes wiedergeben.

Angesichts dessen kein Wunder, daß viele Rumänen meinen, in ihrem Land gebe es überhaupt nur eine einzige unabhängige und vor allem ernstzunehmende Zeitung. Sie trägt den nicht zu übersetzenden Namen Academia Caţavencu, wird von dem Dichter Mircea Dinescu geleitet und ist ein Satireblatt. Ihrem beißenden Spott ist bisher noch niemand entgangen.