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: Freiflüge und Freibier

Berlins Regierender Bürgermeister hat es sogar schriftlich. Das Berliner Verwaltungsgericht belehrte ihn, daß er gegen Recht und Verfassung verstieß, als er 15 Journalisten eine Reise nach China aus der Senatskasse bezahlte. Daß Politiker versuchen, durch Großzügigkeit gegenüber Journalisten Einfluß auf die Berichterstattung zu nehmen, ist keine Berliner Eigenheit. Selbst die Nato lädt gerne Journalisten ein, wenn sie am Mississippi oder in der kasachischen Steppe ins Manöver zieht. Von den EU-Kommissaren ganz zu schweigen, die viel unterwegs sind und auch in Prag oder Mauritius nicht gern allein sind.

Für die Insel Mauritius, wo am 4. November ein Lomé-EU-Abkommen unterschrieben wird und deshalb ein paar Gläser gehoben werden, sollen übrigens noch Plätze frei sein für Medienvertreter, die diese Formalität gebührend würdigen wollen. Das mag daran liegen, daß die EU-Kommissare nicht jeden fragen, und die Handvoll wichtiger Journalisten nicht immer Zeit hat. Wer für die richtige Zeitung schreibt, kann im Jahr gut und gerne ein halbes dutzendmal auf Rechnung des einen oder anderen EU-Kommissars verreisen.

Nicht jeder Freiflug zieht gleich das Ende einer kritischen Berichterstattung nach sich. Aber ein bißchen was bleibt meistens doch hängen, wie man bei den wöchentlichen informellen Gesprächen, zu denen alle deutschen Journalisten Zutritt haben, beobachten kann. Oder wie soll man sich sonst erklären, daß da immer einige vortreten und den Herrn Kommissar fragen, was denn beispielsweise in Fragen der Gentechnologie „unsere Position“ sei. Gemeint ist die Position des EU-Kommissars, der der deutschen Industrie sehr nahe steht, was einige Journalisten zu der Annahme verleitet, er vertrete die Interessen Deutschlands.

Diese nicht nur nationale, sondern auch sehr einseitige Sicht auf europäische Fragen wird bestärkt durch die Tatsache, daß auch die französischen, spanischen oder britischen EU-Kommissare ihre Journalisten pflegen. Nicht immer geht es dabei um Vorteile, die wie beim Reisebüro Diepgen oder Bangemann in Geld zu messen sind. Oft reicht schon die bloße Zuneigung, um uns Journalisten das warme Gefühl der Wichtigkeit zu geben. Ein Gefühl, das manche nur ungern für einen kritischen Artikel aufs Spiel setzen.

Andererseits kann es für die journalistische Arbeit schon sehr nützlich sein, wenn man Freunde auf der anderen Seite der Barrikade hat. In Brüssel beispielsweise ist es so, daß gute Kontakte in die Europäische Kommission die Beschaffung von Informationen sehr erleichtern. Manche interessanten Details, etwa über die französischen Atomtests, würde man sonst gar nicht erfahren. Aber diese Details erfährt man leider am allerseltensten von den Spitzenpolitikern. Viel häufiger von EU-Angestellten, die man in Brüssel überall kennenlernen und in jeder Kneipe treffen kann. Nur muß man dann sein Bier selbst bezahlen.Abe