50 Jahre alt und ein Sozialfall

Das Geburtstagskind Vereinte Nationen steht vor dem finanziellen Aus. Für 1996 droht Gehaltsstop. Aber die Schuldner stört das nicht.  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Wenn ein Problem und seine Ursachen zwar allen bekannt sind, sich aber niemand verantwortlich für die Lösung fühlt, veranstaltet man am besten eine große Konferenz. Nach diesem Rezept soll ausgerechnet die existenzbedrohende Finanzkrise der UNO überwunden werden. Seine Anwendung hat den Etat der Weltorganisation allein seit 1992 durch die fünf Weltkonferenzen zu den Themen Umwelt/Entwicklung, Menschenrechte, Bevölkerung, Soziales und Frauen mit über einer Milliarde US-Dollar belastet. Vor dem „größten Gipfel aller Zeiten“ aus Anlaß des 50. Geburtstages der UNO kündigte Generalsektretär Butros Butros Ghali am Sonntag in New York die Einberufung einer Sonderkonferenz an, sollte sich die materielle Krise der UNO nicht bis Jahresende entspannen.

Dabei sind die in New York versammelten Staats- und Regierungschefs bestens über die sich stetig verschlechternde Situation informiert. Zum Abschluß jedes Quartals verschickt das Büro des Generalsekretärs an alle 185 Mitgliedsstaaten eine detaillierte Aufstellung über den Stand der Beitragszahlungen und mahnt die Begleichung von Rückständen an. Weitgehend erfolglos. Wie bereits seit knapp 20 Jahren sind die USA, die laut bisherigem Finanzschlüssel für 25 Prozent des regulären Haushalts und 31 Prozent des Peacekeepingbudgets aufkommen müßten, mit insgesamt 1,8 Milliarden Mark vor Rußland (800 Millionen) größter Einzelschuldner. Bill Clintons Versprechen, er werde sich dafür einsetzen, daß die USA ihre finanziellen Verpflichtungen künftig einhalten, stieß bei den meisten Zuhörern wie in der UNO-Bürokratie auf Skepsis. Ähnliche Ankündigungen seines Vorgängers George Bush blieben folgenlos. Laut der UNO-Charta kann zwar das Stimmrecht eines säumigen Mitgliedslandes solange suspendiert werden, bis die Altschulden beglichen sind. Aus Angst vor negativen Reaktionen der USA verzichteten die anderen UNO-Staaten bislang jedoch darauf diesen Artikel anzuwenden. Auch Washingtons Verstoß gegen die UNO-Finanzordnung durch einseitige Herabstufung des US- Pflichtanteils am Peacekeepingbudget von 31 auf 25 Prozent zum 1. Oktober blieb für die USA ohne Folgen.

Mit dem Zurückhalten von Beiträgen versuchen die USA, die UNO unter Spardruck zu setzen. Vor allem in den Bereichen des weltweiten UNO-Systems, in denen Programme verfolgt werden, die Washington politisch mißliebig sind. In den 70er und 80er Jahren war unter anderen die UN-Organisation für Erziehung und Kultur (Unesco) wegen ihres Programms für eine neue internationale Informationsordnung betroffen.

Seit einiger Zeit argumentieren die USA für die Abschaffung der UNO-Organisation für Handel und Entwicklung (UNCTAD). In den 60er, 70er und frühen 80er Jahren wichtigstes Forum der Staaten des Südens innerhalb des UNO- Systems, gilt die UNCTAD heute in Washington und anderen Hauptstädten nördlicher Industriestaaten als uneffektiv. Doch gerade weil die Kompetenzen der UNCTAD in den letzten 15 Jahren zunehmend in die von den nördlichen Wirtschaftsmächten beherrschten Institutionen Gatt/ Welthandelsorganisation, Weltbank, Internationaler Währungsfonds und G 7 verlagert und der Einfluß der Länder des Südens innerhalb des UNO-Systems zurückgedrängt wurde, stößt der Vorschlag zur Abschaffung der UNCTAD in Afrika, Asien und Lateinamerika auf Widerstand.

Voraussetzung eines überzeugenden Sparkonzepts wäre eine Verständigung der Mitgliedsstaaten über die dringendsten politischen Reformen: Demokratisierung des Sicherheitsrates und anderer Institutionen; Stärkung der UNO-Kompetenz im Wirtschafts-, Sozial- und Umweltbereich; Neudefinition und -strukturierung der Peacekeepingrolle der UNO. Ohne eine solche Verständigung gerät Sparen zu willkürlicher Kürzungs- und Kahlschlagpolitik. Nachdem die Rücklagen des regulären UNO-Haushalts aufgebraucht sind und auch das Peacekeepingbudget nicht mehr länger beliehen werden kann, verfügte Ghali Ende September einen weitgehenden Reisestop. Ohne eine Verbesserung der Finanzlage können die Gehälter für die MitarbeiterInnen in New York und Genf ab 1996 nicht mehr gezahlt werden.

Doch selbst wenn alle Schuldner ihre Rückstände beglichen und künftig pünktlich ihre Beiträge zahlten, wäre die Krise nicht überwunden. Die UNO braucht angesichts der ihr übertragenen Aufgaben und der an sie gerichteten Erwartungen weit mehr Geld, als ihr bisher in den jährlichen Haushaltsplänen versprochen wird. Ganze 1,2 Milliarden US-Dollar beträgt das jährliche Budget für die New Yorker Zentrale, die regionalen Hauptquartiere in Genf, Wien und Nairobi sowie die fünf kontinentalen Wirtschaftskommissionen. Allein die New Yorker Stadtpolizei hat einen Jahreshaushalt von 1,8 Milliarden US-Dollar.

Das UNO-System inklusive der 30 Sonder-und Spezialorganisationen hat derzeit 61.400 Beschäftigte weltweit. Dazu kommen rund 70.000 Blauhelme und -mützen bei den derzeit 15 Peacekeeping-Operationen.

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