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Vom Volk der Tüftler, die alle etwas bluna sind

■ Eine Ausstellung in Stuttgart stellt Erfindungen aus Schwaben vor – und demonstriert vom Verbrennungsmotor bis zur Eierköpfmaschine die Nähe von Wahnsinn und Genialität

Stuttgart (taz) – Ihr lacht über uns. Aber Mercedes fahren, das wollt ihr doch alle. Wir Schwaben seien verklemmt, sagt ihr. Aber die Freiheit des Fliegens verdankt ihr uns alleine. Und nicht nur das: Wir erfanden das Zündholz, den Dübel, die Stechuhr, den Leitz-Ordner ... fast alles eben. Mit 8.328 Patenten waren wir Erfinder aus Baden-Württemberg im vergangenen Jahr wieder einmal bundesweit spitze. 23 Prozent aller angemeldeten Patente kamen aus unserem Ländle. Wir Schwaben – ein Volk der Tüftler. Endlich wird diese Tatsache auch angemessen gewürdigt: In Stuttgart wird dem Wirken „Schwäbischer Tüftler“ jetzt eine Ausstellung gewidmet.

Vielleicht lag es ja wirklich an folgendem: Das Land rohstoffarm, der Glaube pietistisch. Eine Mischung, an der man wahnsinnig wird oder vor der man davonläuft. Viele wanderten aus im letzten Jahrhundert. Die, die dablieben, mußten sich etwas einfallen lassen. So wurde der schwäbische Erfinder geboren. Man sieht ihn selten.

Meistens sitzt er grübelnd in seiner kleinen Werkstatt im Hinterhof und verbessert gerade den elektrischen Eierkocher oder sinniert über ein Perpetuum mobile. Manchmal kommt dabei auch Großes heraus: Der Verbrennungsmotor (Gottlieb Daimler), eine fliegende Zigarre (Ferdinand Graf von Zeppelin) oder eine Bombe (Johann Georg Elser). Leider explodierte bei letztgenanntem schwäbischen Tüftler die Sprengladung erst eine Viertelstunde nachdem Hitler den Bürgerbräukeller verlassen hatte. Anderenfalls gebührte ihm der größte Dank der Menschheit, noch lange vor Robert Bosch oder Carl Benz.

So aber bleibt Elser einer von vielen nahezu vergessenen Bastlern, die in mühseliger Heimarbeit an der Verbesserung der Menschheit werkelten und jene Verbindung von Genie und Wahnsinn verkörperten, die beispielsweise zur Erfindung einer „Eierköpfmaschine“ notwendig ist.

Die Ausstellung im Alten Schloß setzt gerade jenen ein Denkmal, die keinen wirtschaftlichen Nutzen aus ihrer Leidenschaft zogen. Wie Johann Leonhard Hodum aus Giengen an der Brenz, der Erfinder der „Wasservervielfältigungsapparatur“, um nur eine seiner zu Tausenden erdachten Maschinen zu nennen. Täglich erfand er neue, bis man ihn für verrückt erklärte.

Die Gegenwart ist unvollendet, ein Elend, unter dem die Schwaben offensichtlich ganz besonders leiden und litten. Nicht nur Hölderlin wurde in dieser Gegend verrückt. Auch Gustav Mesmer, den sie den „Ikarus vom Lautertal“ nannten. Vor kurzem erst ist er gestorben und wollte doch so gerne noch einmal fliegen. Er hat es aber nur bis zum Fahrrad geschafft, auf das er Flügel montierte und damit durchs Dorf fuhr.

Irgendwie scheinen hier alle etwas „bluna“ zu sein oder zu werden. „Der Geist Daimlers ist um uns und in uns, selbst wenn wir einen Opel fahren“, sagt dazu einer der Ausstellungsmacher, der Tübinger Kulturwissenschaftler Professor Utz Jeggle.

Auch in den kleinen Landeskindern scheint dieser Geist zu stecken: In der Abteilung „Kindererfindungen“ gibt es eine „Arschtrittmaschine“ zu besichtigen. Julia (sechs Jahre) hat eine „Kußmaschine“ entwickelt, weil ihr Onkel sie immer abküssen wollte. Damit ist sie eine der wenigen Erfinderinnen, die in die Geschichte eingegangen sind – in der Gesellschaft von Margarete Steiff mit ihrem Teddybär. Philipp Maußhardt

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