Die Sozis waren nicht ahnungslos

Die Sozialdemokraten waren in der Barschel-Affäre nicht so unschuldig wie sie taten: Dem „Schubladenausschuß“ wurde gestern der Abschlußbericht übergeben  ■ Aus Kiel Kersten Kampe

Zündstoff, Nagelprobe für die SPD – Schlagworte wie diese geistern seit dem Wochenende durch die Gazetten. Denn fünf Monate vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein legten gestern der Vorsitzende des sogenannten Schubladen-Ausschusses, Heinz- Werner Arens (SPD) und sein Stellvertreter Bernd Buchholz (FDP) ihre Wertung aus 229 Sitzungen mit 250 Zeugen auf den Tisch ihrer Kollegen. Die Untersuchungen zur Rolle der SPD in der Barschel-Affäre sind damit in die Schlußphase getreten.

Der Entwurf wurde gestern in nichtöffentlicher Sitzung präsentiert und blieb entsprechend geheim. Aber es verlautete, der Bericht gehe nicht hinter die bisher bekannten Zwischenbilanzen zurück. Danach war die Rolle der SPD in der Barschel-Affäre 1987 längst nicht so unschuldig wie von den Sozialdemokraten lange Zeit dargestellt. In der SPD habe es unstreitig Wissen über die Machenschaften Barschels und seines Medienreferenten Pfeiffer gegeben, hatte Arens schon im Februar vor der Fraktion bilanziert. Dieses Wissen sei offensichtlich genutzt worden, um den Landtagswahlkampf 1987 zu beeinflussen. Es habe jedoch keine Anhaltspunkte dafür gegeben, daß Beschlußgremien der Partei Pläne entwickelt und umgesetzt hätten, schrieb Arens.

Im Jahre 1987 hatte Medienreferent Reiner Pfeiffer aus der Staatskanzlei von Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) unlautere Wahlkampfaktionen gegen Oppositionsführer Engholm (SPD) gestartet. Dazu gehörte eine Steueranzeige und eine Bespitzelung Engholms durch Detektive. Der Schubladenausschuß war im März 1993 eingesetzt worden, nachdem die Geldzahlungen von rund 40.000 Mark des damaligen schleswig-holsteinischen Sozialministers Günther Jansen (SPD) an den einstigen Medienreferenten und „Mann fürs Grobe“ Uwe Barschels, Reiner Pfeiffer, bekannt wurden.

Jansen hatte damals angegeben, aus sozialen Gründen Pfeiffer, der sich 1987 an den Machenschaften aus der Staatskanzlei Uwe Barschels erst beteiligte und diese dann öffentlich machte, unterstützen zu wollen. Das Geld hatte Jansen nach seinen Angaben in seiner Schreibtischschublade gesammelt.

Im Zuge der Schubladen-Affäre gab dann im Mai 1993 der damalige Ministerpräsident Björn Engholm zu, früher über die Barschel- Aktivitäten informiert gewesen zu sein als bisher behauptet. Engholm trat als Ministerpräsident und Bundesvorsitzender zurück.

Arens hatte schon im Februar dieses Jahres Zweifel daran geäußert, ob Jansen tatsächlich nur aus sozialen Gründen Pfeiffer unterstützt habe. Möglich wäre, daß Pfeiffer sanften Druck ausgeübt habe, zumal er wissen konnte, daß der damalige SPD-Sprecher Klaus Nilius sowie Jansen und Engholm vor dem ersten Untersuchungsausschuß nicht die volle Wahrheit gesagt hatten. Jetzt werden sich die Fraktionen des Kieler Landtages mit dem Bericht beschäftigen.