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■ QuerspalteTri- Tra- Trallala

Wenn sich die Mächtigen unter die Zunft der Künstler mischen, ist Mißtrauen geboten. Immerhin droht die Gefahr, musisch verkappter Wahlwerbung aufzulaufen. Aber wer die Kunst mag, muß nicht auch den Künstler mögen. Rousseau hat dicke Bücher über Erziehung geschrieben und die eigenen Kinder ins Heim gesteckt. Solch abstoßende Trennung von Werk und Leben gibt es bei Norbert Blüm nicht. Seit Jahren kümmert er sich nicht allein in der Politik um die Pflegeversicherten. Jüngstes Beispiel: Gemeinsam mit zwei Kabarettisten produzierte Blüm eine CD mit humoristischen Einlagen, deren Erlös einem Projekt gegen Kinderarbeit in Indien zufließen soll.

Das ist nicht das erste Mal, daß der Sozialminister eine Probe dieses Talents zum besten gibt. Erinnern wir uns an sein Buch „Geschichten vom Weinen und vom Lachen“. Blüm erzählt von seiner Kindheit in einer katholischen Arbeiterfamilie und von den Schatten, die der Tod schon früh aufs Dasein wirft. Eines Tages fährt der junge Norbert, gerade vier Wochen im Besitz des Führerscheins, mit dem neuen Wagen des Vaters durch seine Heimatstadt Rüsselsheim. Eine Mutter und ihr verletzter Sohn müssen schnell ins Krankenhaus gebracht werden. Doch anstatt in die Klinik, lenkt Norbert das Auto in einen Müllwagen, und während erst nur der Junge blutet, war dann auch die Mutter ein Fall für die Pflege. In einer anderen Geschichte („Tri-Tra-Trallala“) erinnert sich Blüm an frühkindliche Rollenspiele. Nobbi wird von seinem Vater abwechselnd in „das Brüdersche“ oder einen „angeknabberten Schwabbelpilz“ verwandelt, dreimal „ums Kackhäuschen herum“ geschickt und findet sich schließlich behütet im elterlichen Bett wieder.

Nach der Prosa folgt nun „Lyrik für Notfälle“, wie die CD von Blüm heißt. Ein Blick in die Zukunft sei gewagt. Im nächsten Jahr beschert uns das Stehaufmännchen eine CD-ROM, ein Jahr darauf geht er ins Internet („Blüm online“). Und 1998, kurz vor den Wahlen, erscheint die erste CD-u. Dann doch lieber Kinderarbeit in Indien. Peter Walther

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