Die mißtrauische Allianz Italiens

■ Heute beginnt Italiens Parlament, über das Mißtrauensvotum gegen die Regierung Dini zu debattieren. Die Neokommunisten wollen gemeinsam mit dem Rechtsblock Silvio Berlusconis stimmen Aus Rom Werner Raith

Die mißtrauische Allianz Italiens

Fausto Bertinotti, Chef der Rifondazione Comunista (RC), setzte seine aus Hunderten von Talk-Shows bekannte Miene zwischen Freundlichkeit und Ironie auf: „Wir hätten ja gerne ein eigenes Mißtrauensvotum eingebracht, aber dazu braucht man 64 Unterschriften von Abgeordneten, und die haben sie uns nicht gegeben. So werden wir also für das Mißtrauensvotum des Rechts- Pools stimmen müssen.“

Die Sensation scheint perfekt, wenn morgen über das Schicksal der im Januar als Technokraten- Administration gewählten Regierung Dini abgestimmt wird. Die Stimmen der RC werden dabei entscheidend sein. Aufmerksame Beobachter wollen bemerkt haben, daß das sonst so gewinnende Lächeln des Neokommunisten- Kapos diesmal ziemlich verkrampft wirkte: Immerhin tut sich die äußerste Linke jetzt nicht nur mit der äußersten Rechten zusammen, um eine Regierung anzugreifen, sondern auch mit dem von ihr offiziell stets als inkompatibel mit der italienischen Politik beschimpften Medientycoon Berlusconi. Und das, so kann Bertinotti getrost befürchten, könnte das Ende des Sympathiezuwachses der längst nicht mehr nur für KP-Nostalgiker attraktiven Partei bedeuten.

Zwar fordert die Ultralinke seit Monaten den Rücktritt der Regierung Lamberto Dini. Der war zwar überhaupt nur durch das Votum einiger RC-Dissidenten gewählt worden, die Partei jedoch lehnt „technokratische Regierungen“ eigentlich ab und sieht in Dini auch einen Totengräber arbeitnehmerfreundlicher Politik. Doch zwischen der auch von vielen Italienern geteilten Kritik an der Sparpolitik der Regierung bis zum Zusammengehen mit der Rechten, die bei den nun für Weihnachten drohenden Neuwahlen die besten Chancen hat und sicherlich nicht arbeitnehmerfreundlicher sein wird, „liegt der Schritt über den Rubikon“, wie Altkommentator Indro Montanelli unter Anspielung auf den historischen Entschluß Cäsars zum Verfassungsbruch bitter anmerkt.

Hinter vorgehaltener Hand fragen sich auch viele Wähler der RC, ob nicht doch etwas dran ist an den im Frühjahr aufgekommenen Gerüchten, wonach die Rifondazione für ihren Dauerbeschuß gegen Dini von Berlusconi gesponsert wird: Kein Mensch konnte bisher erklären, wo die rund acht Milliarden Lire (umgerechnet etwa sieben Millionen Mark) herkommen, mit der die Rifondazione ihr vormaliges Wochenmagazin Liberazione in eine Tageszeitung verwandelt hat.

Dennoch ist der mögliche Sturz Dinis nicht nur das Werk der Neokommunisten. In mancher Hinsicht geradezu spektakulär hatte Italiens Industriellenwelt während des vergangenen Sommers mehrheitlich die Abkehr von der bisherigen Duldung Dinis und seiner Mitte-links-Helferschar vollzogen.

Massimo D'Alema, Chef der Linksdemokraten und damit der stärksten Unterstützerfraktion, wurde beim traditionellen Treffen der Jungunternehmer in Capri mit Tumulten und Pfiffen empfangen, während Gianfranco Fini, Leiter der aus den Neofaschisten hervorgegangenen Nationalen Allianz, schon bei seinem Eintritt mit Beifallsstürmen begrüßt wurde. Der Präsident des Industriellenverbandes und D'Alema-Sympathisant, Luigi Abete, verließ daraufhin zwar empört den Saal. Aber nur, um wenig später von seinen einst treu antiberlusconischen Kollegen hören zu müssen, daß der Wind gedreht habe und man sich nunmehr durchaus mit dem Parvenü aus Mailand in der Regierung angefreundet habe. Ja, man könne diesen im Extremfall sogar durch den Ultrarechten Fini ersetzen – der Mann habe inzwischen mit seinem gewinnenden Wesen, seiner Schlagfertigkeit und seinen versöhnlichen Gesten gegenüber Nazi-Opfern sogar Amerika erobert.

So setzt Dini auf die beiden letzten verbliebenen Pluspunkte: die dringende, von ihm schon weit vorangetriebene Verabschiedung des Haushalts 1996 – und das große Ansehen, das er im Ausland mittlerweile genießt.

Letzteres besonders: Da Bundeskanzler Kohl bei einem Treffen mit Dini erklärt hatte, die Italiener sollten den Technokraten doch weitermachen lassen, er mache „seine Sache doch recht gut“, hofft der Regierungschef auf einen diskreten Einfluß des Deutschen auf die von ihm gesponserte Fraktion der Vereinten Christdemokraten (CDU), die ihr Chef Rocco Buttiglione an sich vor einem halben Jahr in den Rechts-Pool Berlusconis eingebracht hat.

Die CDU Italiens spricht sich zwar offiziell auch gegen Dini aus, möchte aber gleichzeitig Neuwahlen hinausschieben, da sie landesweit nach der Spaltung im Sommer noch nicht neu organisiert ist. Und das könnte möglicherweise, wie es ein Mitarbeiter Dinis formulierte, zu ein paar „diskret gewollten Enthaltungen“ der CDU führen, die das Überleben doch noch garantieren würden.

In seiner Not hat Ministerpräsident Dini die Flucht nach vorne ergriffen. Normalerweise dauern die parlamentarischen Aussprachen bei Mißtrauensanträgen mehrere Tage – Dini hat nun angekündigt, nicht mehr als eine Stunde zu seiner Verteidigung aufzuwenden, drückt damit auch auf die Zeit der anderen RednerInnen und ermöglicht so eine Abstimmung schon am morgigen Donnerstag. Heftig propagierter Grund, der ihm natürlich auch noch Pluspunkte bringen soll: Die Sorge um Italiens Wirtschaft angesichts einer Lira, die seit der Ankündigung des Mißtrauensvotums um fast zehn Prozent abgestürzt ist.