Ganz normal: Scharping schlägt Wehner und Klose

■ Der Fraktionsvorsitzende wird mit 81,2 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. Otto Schily fällt im ersten Wahlgang als sein Stellvertreter durch

Bonn (taz) – Ohne großes Aufheben wurde Rudolf Scharping gestern als Fraktionsvorsitzender der SPD bestätigt. Fünf seiner Stellvertreter wurden ebenfalls ohne Probleme wiedergewählt. Unerwartet fiel der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Otto Schily im ersten Wahlgang durch.

Für Scharping stimmten 190 der 240 anwesenden Abgeordneten, 35 gegen ihn und neun enthielten sich der Stimme. Sechs Stimmen waren ungültig. Damit wurde Scharping mit 81,2 Prozent in diesem Amt bestätigt. Einen Gegenkandidaten gab es nicht. Im vorigen Jahr hatte er 98 Prozent der Stimmen erhalten. SPD-Fraktionssprecher Sten Martenson verwies darauf, daß das neue Wahlergebnis für Scharping dem Schnitt der Resultate in den 70er Jahren entspreche: „Wehner hatte zwei Ergebnisse, die niedriger waren.“ Auch Ulrich Klose mußte sich 1993 mit nur 61,8 Prozent der Abgeordneten zufriedengeben. In der Fraktion bezeichnete man das Ergebnis für Scharping als „ehrlich“. „Es wußte jeder, daß ein schlechteres Abschneiden allen geschadet hätte“, sagte ein Sozialdemokrat. Scharping selbst habe seine Wiederwahl mit Erleichterung aufgenommen. Es sei „ganz klar, daß es eine gewisse Kritik gibt, und die sich im Ergebnis auch niedergeschlagen hat“, sagte Scharping später. Doch angesichts der derzeitigen Schwierigkeiten sei das Ergebnis „außerordentlich befriedigend“.

Auch für die Wahl der sechs Stellvertreter waren keine neue Kandidaten angetreten. Im ersten Wahlgang wählten die 243 anwesenden Abgeordneten Rudolf Dreßler mit 162 Stimmen (1994: 213), Anke Fuchs mit 200 (203), Ingrid Matthäus-Maier mit 201 Stimmen (195), Wolfgang Thierse mit 168 (216) und Günter Verheugen mit 127 Stimmen (164). Schily hatte im ersten Wahlgang nur 109 der 122 notwendigen Stimmen. Eine im Vorfeld erwartete Abstrafung von Verheugen durch zuwenig Stimmen im ersten Wahlgang blieb aus. Statt dessen mußte sich Schily erneut, aber ohne Gegenkandidat, in den späten Abendstunden zur Wahl stellen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Peter Struck, hielt das Scheitern Schilys im ersten Wahlgang für „ungerecht“. „Die Normalität ist eingekehrt“, kommentierte er das im Vergleich zum Vorjahr deutlich schlechtere Wahlergebnis für den Fraktionsvorsitzenden. Karin Nink