Im Anblick des schwarzen Auges

■ Eine Sonnenfinsternis taucht Teile Asiens in Dunkelheit – zur Freude der Astrologen, die Kuhdung oder Tinte empfehlen ...

Colombo (taz) – Eine totale Sonnenfinsternis überquerte Teile Asiens am Dienstag morgen. Als sich der Mond für ein bis zwei Minuten vor die Sonne schob, da krachten in ländlichen Regionen Thailands Feuerwerkskörper, und buddhistische Mönche schlugen die Trommeln, um böse Geister zu verschrecken. Die Überschwemmungen der vergangenen Wochen, bei denen über hundert Menschen starben, wurden zu Vorboten der Sonnenfinsternis erklärt. In Nepal nahmen Tausende rituelle Bäder, um sich von unglückbringenden Kräften zu reinigen.

Tausende von Touristen verbrachten die Nacht am indischen Tadsch Mahal und in der Mogul- Stadt Fatehpur Sikri, um sich das Schauspiel über ihnen nicht entgehen zu lassen. Wo das Wetter zu schlecht war, verfolgten die Menschen das Ereignis im Fernsehen, wie in der indischen Hauptstadt. Die Bevölkerung war hin- und hergerissen zwischen Neugier und der Furcht, daß der Anblick des „schwarzen Auges“ Unglück bringen könnte.

Indien zählt die größte Anzahl von Astrologen der Welt, und gleichzeitig die drittgrößte Schar von Wissenschaftlern, und die letzten Wochen sahen einen lebhaften Wettstreit zwischen beiden Gemeinschaften, welches wohl das richtige Verhalten sei: Die Astronomen luden die Leute ein, sich dieses seltene Naturphänomen nicht entgehen zu lassen, solange sie die nötigen Vorsichtsmaßnahmen ergiffen, um beim plötzlichen Austritt der Sonne aus dem Mondschatten eine Beschädigung der Augen zu vermeiden.

Die Astrologen dagegen warnten die Menschen davor, sich während der Zeit der Finsternis aus dem Haus zu begeben, sie sollten sich vielmehr durch Gebete und reinigende Bäder vor möglichen Schäden schützen. Dies galt besonders für schwangere Frauen, und wehe jenen Müttern, die ausgerechnet in diesen Augenblicken ein Kind gebären würden – für sie konnte nur ein Bad in einem der heiligen Flüsse die schlimme Konstellation besänftigen.

Am besten sei eine Pilgerschaft nach Kurukshetra, dem mythischen Schlachtfeld des Nationalepos Mahabharata. Dort war vor Urzeiten der Zweikampf zwischen zwei Dynastien unausweichlich geworden, nachdem innerhalb von dreizehn Tagen zwei Sonnenfinsternisse eingetreten waren.

Eine Zeitung mokierte sich auch über Premierminister Narasimha Rao, der sich selbstverständlich einen Astrologen hält. Er wird es, meinte der Statesman von Kalkutta, den Sternen danken, daß sie den Geburtstag der Vereinten Nationen auf den Tag der Sonnenfinsternis fallen ließen und ihm damit erlaubten, ihrem unheilvollen Einfluß in New York zu entgehen. Für die Leute, die das Land nicht verlassen und auch ihre Neugier nicht bändigen konnten, boten die Astrologen einen Kompromiß an: Wenn ihr das Ereignis unbedingt sehen wollt, dann in der Spiegelung eines mit Wasser gefüllten Behälters. Vorsichtshalber müßten einige Gewürze beigemischt werden, und zum Schutz der Augen sei es gut, wenn sich das Wasser dunkel färbt – am besten mit dem Dung von Kühen, oder, wenn man unbedingt „modern“ sein will, mit Tinte. Bernard Imhasly