■ Die Arbeitslosenhilfe soll jährlich abgesenkt werden
: Rutschbahn in die Armut

Der Euphemismus des neuen Gesetzesvorhabens ist dreist genug. Aber der Inhalt übertrifft alle pessimistischen Erwartungen. Die sogenannte „Reform“ der Arbeitslosenhilfe könnte die bedeutendste Kürzung bei sozial Schwachen in dieser Legislaturperiode werden. Und was die „Reform“ im Kern androht, die alljährliche Absenkung der Arbeitslosenhilfe, kann leicht Wirklichkeit werden. Die SPD-geführten Länder können das Gesetz nicht blockieren – der Bundesrat muß nicht zustimmen.

Fünf Prozent weniger Unterstützung sollen Arbeitslosenhilfebezieher Jahr für Jahr bekommen. Bei den bisherigen Durchschnittssätzen der Arbeitslosenhilfe ist damit der Gang zum Sozialamt nur eine Frage kurzer Zeit. Wer keine Chance auf dem Arbeitsmarkt mehr hat, landet nach einer unvermeidlichen Talfahrt im sozialen Nichts. Bei dem einen dauert die Talfahrt länger, beim anderen kürzer. Aber am Ende treffen sich alle: in Armut. Damit wird der Konsens einer einkommensbezogenen sozialen Sicherung für alle abhängig Beschäftigen erstmals aufgekündigt. Das gesellschaftlich verursachte Armutsrisiko durch Arbeitslosigkeit ist wieder vom Individuum zu tragen.

Dieses Risiko erfaßt daher auch die Mittelschicht in zuvor nicht gekanntem Ausmaß. Denn kein irgendwann einmal erzieltes gutes Einkommen schützt mehr vor Armut, wenn der überfüllte Arbeitsmarkt eine/n nicht mehr will. Kein Vermögen bleibt unangetastet, wenn die Chancen auf einen neuen Job endgültig dahin sind. Was ja leicht passieren kann: Schon 45jährige Maschinenbauingenieure, deren mittelständische Arbeitgeber in Konkurs gegangen sind, finden heute keine Stellen mehr, obwohl sie noch 20 Jahre bis zur Rente vor sich haben. Es ist bezeichnend, daß Blüm die schon mal totgesagten Lohnzuschüsse für Erntehelfer jetzt wieder in den Gesetzentwurf geschmuggelt hat. Dem Minister fällt nichts mehr ein zum Thema Erwerbslosigkeit.

Welche Ängste er aber auslöst, wenn Erwerbslose künftig auf die soziale Rutschbahn gezwungen werden, das dürfte der populistische CDU-Arbeitsminister eigentlich wissen. Und genau deshalb wirkt der Gesetzentwurf so bedrohlich: Wie sehr muß Blüm unter Einsparungsdruck stehen, um solch eine „Reform“ vorzulegen?! Und wenn damit erstmal die Schamschwelle überschritten ist, was ist dann noch alles möglich? Und vor allem: Welchen Abbau wird die Gemeinschaft noch mittragen? Vielleicht birgt die Antwort keine gute Überraschung. Barbara Dribbusch