Wird Fikret Abdić ausgeliefert?

■ Der muslimische Abtrünnige wird von Sarajevo des Hochverrats beschuldigt

Zagreb (taz) – Für Fikret Abdić naht möglicherweise das endgültige politische Aus. Denn der bosnisch-muslimische Abweichler und „Präsident“ der selbsternannten – heute nicht mehr existierenden „Republik Westbosnien“ – soll nach dem Willen der bosnischen Regierung von den kroatischen Behörden nach Sarajevo ausgeliefert werden. Dort würden ihn Haft und ein Prozeß erwarten. Denn Fikret Abdić wird in Sarajevo des Hochverrats beschuldigt.

Ungewiß ist das Schicksal seiner Anhänger: Mehr als 25.000 Menschen harren in einem Flüchtlingslager in der Krajina aus. Sie sollen nach dem Willen der kroatischen Regierung, der UNO und auch der bosnischen Behörden jedoch bald in ihre Heimat nach Velika Kladuša zurückkehren können.

Die Lebensbedingungen in dem Flüchtlingslager in der Nähe von Vojnić sind erbärmlich. In einem Tal haben die Flüchtlinge aus Brettern und Ästen notdürftige Unterkünfte geschaffen; die sanitären Zustände sind katastrophal; internationale Organisationen befürchten den Ausbruch von Epidemien. Noch halten die Flüchtlinge zu ihrem Führer.

Eine eigene, Abdić-hörige Polizei sorgt für Ruhe und politischen Zusammenhalt. Denn die Existenz des Flüchtlingslagers ist die letzte politische Karte des Fikret Abdić. Rückkehrwillige Flüchtlinge werden mit Gewalt im Lager festgehalten; einige von ihnen wurden erschossen – vor drei Wochen eine ganze Familie.

Mit dem Rückzug bosnischer Truppen aus der Region Velika Kladuša und deren Ersetzung durch Polizeikräfte aus Sarajevo wurden auf bosnischer Seite die Voraussetzungen für die Rückkehr der Flüchtlinge geschaffen.

Im Oktober 1993 hatte Fikret Abdić, ehemals Mitglied des bosnischen Staatspräsidiums, seinen eigenen Ministaat „Westbosnien“ ausgerufen. Von seiner Hochburg Velika Kladuša aus führte er innerhalb der Enklave Bihać einerseits Krieg gegen die bosnische Armee; andererseits wickelte er lukrative Geschäfte mit Kroatien und Serbien ab.

Erst mit der Bildung der bosniakisch-kroatischen Föderation im März 1994 wurde seine Lage schwieriger. Seine Truppen griffen die bosnische Bevölkerung in Bihać an. In diesem Krieg der Muslime gegen Muslime sollen in der Enklave Bihać mehr Menschen umgekommen sein als durch die Angriffe der serbischen Streitkräfte. Mit der kroatischen Rückeroberung der Krajina und der bosnischen Offensive in Westbosnien wurden auch die Abdić-Truppen zur Aufgabe gezwungen. Der größte Teil der Muslime Velika Kladušas hielt zu ihrem Führer. Erich Rathfelder