Bye Bye Tel Aviv, hallo Jerusalem

US-Senat und -Repräsentantenhaus billigen mit großer Mehrheit den Umzug der Botschaft der USA in Israel. Indirekt erkennen sie damit Großjerusalem als israelische Hauptstadt an  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Mit überwältigender Mehrheit haben der US-amerikanische Senat und das Repräsentantenhaus am Dienstag einem Gesetz zugestimmt, das den Umzug der US- Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem fordert. Die Verlegung soll spätestens bis zum 31. Mai 1999 erfolgen. 93 Senatoren stimmten für das Gesetz, fünf dagegen. Im Repräsentantenhaus votierten 374 Abgeordnete für die Vorlage und 37 dagegen. Das Gesetz kann als Anerkennung Großjerusalems – zusammen mit den seit 1967 annektierten palästinensischen Vierteln – als israelische Hauptstadt durch die USA interpretiert werden.

Bill Clinton lehnt das Gesetz wegen einer möglichen Gefährdung des Nahost-Friedensprozesses ab, will aber kein Veto einlegen. In einer Erklärung des Weißen Hauses hieß es am Dienstag, der Präsident werde „angesichts der praktisch einstimmigen Entscheidung“ auf ein Veto verzichten, aber von der Möglichkeit eines Aufschubs Gebrauch machen. Das Gesetz ermöglicht es dem US-Präsidenten, den Umzug aus Gründen der nationalen Sicherheit mehrfach um jeweils sechs Monate zu verschieben, so daß der Umzug auf unbestimmte Zeit verzögert werden kann.

Der Führer der republikanischen Mehrheit im Senat, Bob Dole, sagte hingegen: „Es geht nicht um den Friedensprozeß, sondern um die Anerkennung der israelischen Hauptstadt.“ Gegner des Gesetzes, wie der demokratische Abgeordnete Lee Hamilton kritisierten, daß die Entscheidung vor allem innenpolitische Beweggründe habe: die Zufriedenstellung jüdischer WählerInnen.

Israel hat Jerusalem per Gesetz zur Hauptstadt erklärt. International wurde dieser Anspruch jedoch weitgehend nicht akzeptiert. Bisher haben nur El Salvador und Costa Rica dort ihre diplomatischen Vertretungen. Die anderen Botschafter residieren in Tel Aviv.

Der israelische Regierungschef Jitzhak Rabin, der sich gegenwärtig in den USA aufhält, sowie Außenminister Schimon Peres begrüßten den beide großen US- amerikanischen Parteien vereinenden Beschluß. „Wir haben nicht den geringsten Zweifel, daß die meisten Botschaften in nicht allzulanger Zeit nach Jerusalem übersiedeln werden, und daß das vereinigte Jerusalem als israelische Hauptstadt anerkannt wird“, erklärte Peres. Die Juden hätten die Stadt schon immer als ihre Hauptstadt betrachtet, eine arabische Hauptstadt sei Jerusalem dagegen nie gewesen. Die Anerkennung Großjerusalems als israelische Hauptstadt sei „das Gebot der Geschichte, der Geographie und des Verstandes“. Weniger begeistert sind natürlich die Palästinenser. Der für Jerusalem zuständige Fatah-Vertreter, Faisal Husseini kritisierte das US-Gesetz als schädlich für den Nahost-Friedensprozeß. Laut dem in Oslo ausgehandelten israelisch-palästinensischen Abkommen soll der Status Jerusalems bis zur Schlußphase der Verhandlungen offen bleiben. Husseini wies darauf hin, daß auch einige realpolitische israelische Kreise der Meinung sind, daß das US-Gesetz die Lage in Jerusalem und die weiteren Verhandlungen kompliziert. Laut Husseini sollen allerdings US-Diplomaten palästinensischen Vertretern in aller Stille versprochen haben, daß sich ungeachtet des Gesetzes nichts an der praktischen US-Politik im Nahen Osten ändern werde. Andere palästinensische Vertreter im arabischen Ostteil Jerusalems wiesen jedoch darauf hin, daß dem Chef der palästinensischen Autonomieverwaltung, Jassir Arafat nach der Unterzeichnung des letzten Abkommens mit den Israelis über eine Ausweitung der Autonomie auf Teile der Westbank, „kaum noch verwendbare Karten bleiben, die er ausspielen könnte“. Den US-Amerikanern sei klar, „daß Arafat nur noch nehmen kann, was man ihm gnädigerweise überläßt“.

Das von Senat und Kongreß gebilligte US-Gesetz sieht die Ausgabe von 100 Millionen US-Dollar zum Bau einer neuen Botschaft in Jerusalem vor. Die Durchführung des Projekts ist für die nächsten zwei Finanzjahre geplant. Der 40.000 Quadratmeter große Bauplatz im ehemaligen britischen Allenby Militärlager im Westteil Jerusalems soll bereits im Besitz der US-Regierung sein. Allerdings haben auch schon islamische Institutionen dort Besitzansprüche angemeldet. Gegenwärtig wird das Gebiet von Einheiten der israelischen Polizei und des Grenzschutzes genutzt. Unterdessen gibt die US- Regierung aber auch enorme Summen aus, um ihre Botschaft in Tel Aviv zu erneuern.