Nölles neue Giftliste ist Krönings alte

■ Einsparvorschläge wiederholen sich / Grüne fordern Kürzung am Investitionsprogramm

Als „gute alte Bekannte aus der Folterkammer des Finanzsenators“ begrüßte gestern der grüne Fraktionssprecher Dieter Mützelburg die „Giftliste“ des Finanzressorts (vgl. taz vom 26.10. und Dokumentation S.22). Die darin zusammengetragenen 86 Sparvorschläge seien „zu 80 Prozent deckungsgleich“ mit der Giftliste, die Finanzsenator Volker Kröning 1993 dem Ampel-Senat präsentiert hatte. Einiges davon sei – wie man damals schon herausgefunden habe – unsinnig, anderes leider noch immer nicht realisiert und das meiste sehr unkonkret. Doch selbst wenn die Giftliste voll umgesetzt würde, ergäben sich daraus „höchstens 50 Millionen Mark“ Einsparungen – verglichen mit dem noch 350 Millionen Mark großen Haushaltsloch für die Jahre 1996/97 ein eher kleiner Betrag.

Tatsächlich liest sich Nölles Sparpapier in weiten Strecken wie eine Zusammenstellung von Selbstverständlichkeiten. Überall soll danach die Wirtschaftlichkeit von staatlichen Angeboten „geprüft“, mögliche Einnahmen sollen „erhöht“ und Ausgaben „gekürzt“ werden. So wird zum Beispiel der Wirtschaftssenator aufgefordert, „bei Zuschußgewährungen künftig verstärkt auf die Vermeidung von Mitnahmeeffekten zu achten“ oder „WAP-Mittel künftig stärker als bisher auf die Kernbereiche der Wirtschaftsförderung zu konzentrieren“.

Konkrete Sparmaßnahmen sieht das Nölle-Papier vor allem im Sozial-, Bildungs- und Kulturbereich vor. Einen „sozialpolitischen Kahlschlag“ fürchtet denn auch die grüne Landesvorstandssprecherin Cecilie Eckler-von Gleich. Gerade die besonders bedrohten freien Träger und Projekte würden im Unterschied zu staatlichen Stellen doch „qualifizierter, flexibler, billiger“ und damit effektiver arbeiten. Die im „Bremer Umweltforum“ zusammengeschlossenen Öko-Initiativen ließen sich von der Giftliste gestern zu der etwas überspannten Drohung hinreißen: „Eine große Koalition, die sich Gigantomanie auf Kosten der Gesellschaft leistet, ist auf dem besten Wege, bald abgewählt zu werden.“ Und der Personalrat Schulen erklärte, die darin genannte Erhöhung von LehrerInnenarbeitszeit und Klassenstärke führe zu einer „erheblichen Verschlechterung der schulischen Bildung in Bremen“. Positive Ansätze zur Erneuerung der Schulen seien dann „nicht mehr realisierbar“.

Der Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Ronald-Mike Neumeyer, begrüßte die Sparliste und forderte den Senat darüber hinaus auf, den bisherigen Widerstand der SPD-SenatorInnen zu brechen und eine Haushaltssperre für den Rest des Jahres zu erlassen. Schließlich hätten die SPD-Senatorinnen Kahrs und Wischer noch nicht einmal ihre längst beschlossene Sparquote aus dem 68-Millionen-Kürzungsprogramm dieses Jahres erbracht.

Einen Beförderungsstopp und eine Haushaltssperre forderte gestern auch der grüne Fraktionssprecher Mützelburg. Außerdem stimmte er dem Plan des Finanzsenators zu, sich 1995 mit einem Nachtragshaushalt das Recht zu verschaffen, die Bremer Schuldentilgung praktisch auf null zu reduzieren. Auch 1996 will Nölle auf eine Tilgung verzichten; sie soll erst 1997 wieder beginnen.

Mützelburg rechnet sogar mit einer Neuverschuldung in diesem und dem nächsten Jahr. Um finanzpolitisch überhaupt noch handlungsfähig zu bleiben, müsse Bremen überfällige Privatisierungen wie beim Flughafen, der Stadthalle, dem Großmarkt und der BSAG schnell umsetzen und uneffektive Behörden wie die Bauabteilung der Oberfinanzdirektion abschaffen. Außerdem müßte das Investitions-Sonderprogramm (ISP) um 100 bis 150 Millionen Mark gekürzt werden – durch einen Verzicht auf den Hemelinger Tunnel, den achtspurigen Ausbau der A27, den Bau neuer Messehallen und einer neuen Fischereihafenschleuse in Bremerhaven sowie Teile des Uni-Ausbaus. Dazu Finanzsenator Nölle: „Mit mir wird es keine Kürzung der Investitions-Töpfe geben.“ Ase