Am Sonntag wählt Kroatien. Die Partei von Regierungschef Franjo Tudjman strebt die Zweidrittelmehrheit an – das könnte den KroatInnen einen Präsidenten auf Lebenszeit bescheren. Die Opposition: „Noch ist nichts verloren“ Aus Zagreb Erich Rathfelder

Wenn ich König von Kroatien wär'...

In Siegerpose lächelt Franjo Tudjman von allen verfügbaren Plakatwänden in Kroatien. Die Arme nach oben geworfen, ist er sich des Erfolges sicher: Die Stimme des Volkes, so verkündet er, wird sich in Stimmen für die regierende Kroatisch-Demokratische Gemeinschaft (HDZ) umwandeln. Mit der Pose des „Befreiers“ und „des Schöpfers des neuen kroatischen Staates“ möchte er die überragende Mehrheit der Kroaten für seine Politik gewinnen.

Einen Erfolg kann er schon für sich verbuchen: Er hat die Kroaten verwirrt. Denn fast die Hälfte der rund 4,2 Millionen Stimmberechtigten glauben, es handele sich am kommenden Sonntag um eine Präsidentschaftswahl. Dabei wird lediglich das Unterhaus des Sabors, des kroatischen Parlaments, gewählt. Indirekt jedoch haben die Unwissenden recht, denn diese Wahl kann über das Schicksal des Präsidenten entscheiden. Erhielte die regierende Partei eine Zweidrittelmehrheit, bliebe den Kroaten Tudjman bis an dessen Lebensende erhalten. Im Stile lateinamerikanischer Potentaten möchte er nämlich Präsident auf Lebenszeit werden. Tudjman als König von Kroatien, das ist eine Aussicht, vor der sich immer noch viele Menschen in Kroatien fürchten. So setzt die Opposition alles daran, die Zweidrittelmehrheit der HDZ zu verhindern.

Doch leicht hat es die Opposition nicht. Erstens zerfällt sie in viele kleinere Parteien. Und zweitens verfügt sie nur in geringem Maße über zugkräftige Persönlichkeiten. Solange zudem die Gefahr der Fortsetzung des Krieges droht – in Ostslawonien können nach wie vor die Waffen sprechen –, werden die Oppositionsparteien von vielen Stimmbürgern nicht ernst genommen. „Wäre jetzt Frieden, dann würde die Wirtschaftspolitik an die erste Stelle rücken, dann hätten wir eine echte Chance, sogar die Mehrheit zu gewinnen“, erklärt Bozo Kovacević, Generalsekretär der stärksten Oppositionspartei, der Kroatischen Sozialliberalen Partei (HSLS), die mit 20 Prozent der Stimmen rechnen kann. Und drittens begünstigt das Wahlgesetz die größte Partei. Bei den letzten Wahlen im Juni 1992 gelang es der regierenden HDZ, mit knapp über 40 Prozent der Stimmen fast zwei Drittel der Sitze (78 von 138) zu erreichen.

Immerhin soll es diesmal der HDZ schwerer gemacht werden, das Wahlgesetz auszunutzen. 80 Sitze werden über das Verhältniswahlrecht verteilt, um 28 Sitze streiten sich die Direktkandidaten der Wahlkreise. In Dubrovnik gelang es der HDZ 1992, mit knapp über 20 Prozent der Stimmen das Direktmandat zu holen. Bei den Wahlen am Sonntag soll dies nicht mehr möglich werden, hier hat sich wie in anderen größeren Städten ein Wahlbündnis von Oppositionsparteien gebildet. Und – immerhin ein Lichtblick für die leidgeprüfte Opposition – nach Umfragen liegt der Oppositionskandidat in Dubrovnik vor dem Kandidaten der HDZ. Auch in Rijeka, in Varazdin, in Porec und einigen anderen Wahlkreisen können eigens zu diesem Zweck geschaffene Wahlbündnisse (siehe Kasten) auf Direktmandate hoffen. Dagegen ist die Regierungspartei in der Hauptstadt Zagreb sowie in allen Gebieten stark, die vom Krieg berührt wurden. In der ostslawonischen Stadt Osijek kann der HDZ-Kandidat auf 55 Prozent der Stimmen hoffen – vor vier Jahren siegte dort ein Liberaler. Und in Gospic, einer Stadt nahe der Krajina, käme die HDZ nach dieser Umfrage sogar auf 75 Prozent.

„Noch ist nichts verloren“, hoffen noch viele Oppositionspolitiker. Und sie beziehen sich darauf, daß bei den Telefonumfragen der vergangenen Woche – die für die Regierenden günstig ausfielen – viele der Befragten ihr Votum für die Regierungspartei aus Angst vor Repressalien abgegeben haben. Sie hoffen darauf, daß das Kreuz auf dem Wahlzettel am Wahltag an anderer Stelle erfolgen wird. Bei anderen Umfragen wurde von den Befragten als höchster Wert für die Politik „Ehrlichkeit“ genannt. Nach all den Skandalen bezüglich der Aneignung von Volkseigentum, des Betrugs und der Bereicherung, in die Mitglieder der Regierungspartei verwickelt sind, werten dies manche Oppositionelle als Indiz für eine Kritische Haltung gegenüber der HDZ.

„Sie spüren die Gefahr und versuchen nun die Wahlen zu manipulieren“, erklärt ein Journalist der Zeitung Globus. Sowohl die Liberalen als auch andere Oppositionsparteien beklagen sich über Behinderungen ihrer Wahlwerbung im regierungstreuen Fernsehen. Einige der Wahlspots seien nicht ausgestrahlt, viele der Plakate wieder abgerissen worden. Zudem ist die regierende Partei nicht zimperlich damit, ihre Gegner der „antikroatischen Propaganda“ zu zeihen, gegenüber der istrischen Regionalpartei sprach Tudjman sogar von „Hochverrat“.

Für Spannung ist also gesorgt. Noch ist nicht ausgemacht, ob Tudjman sein hochgestecktes Ziel erreichen kann. Zwar versucht er die Auslandskroaten für seine Zwecke einzuspannen (siehe unten), allein schon die Verhinderung einer Zweidrittelmehrheit wäre jedoch ein Erfolg für die Opposition. Dann wäre Tudjman das Mandat auf Lebenszeit verwehrt. Ihm bliebe lediglich der Trost, bei den Präsidentschaftswahlen 1996 wenigstens für einige Jahre wieder den Thron zu besteigen.