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Kurdische Abgeordnete bleiben im Knast

■ Türkisches Revisionsgericht bestätigt Urteile gegen sechs ParlamentarierInnen

Istanbul (taz) – Das oberste türkische Revisionsgericht hat gestern die Urteile gegen sechs kurdische Abgeordnete, die zu Strafen zwischen dreieinhalb und 15 Jahren verurteilt worden waren, bestätigt. Die Urteile gegen zwei weitere Abgeordnete wurden aufgehoben. Gegen sie soll ein neuer Prozeß eröffnet werden.

Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten nach dem Urteil des Staatssicherheitsgerichts im vergangenen Dezember Revision beantragt. Das neue Urteil folgt im wesentlichen der Argumentation der Staatsanwaltschaft. Von den sechs noch in Haft befindlichen Abgeordneten werden zwei – Ahmet Türk und Sedat Yurtdaș – freigelassen. Die 15jährigen Haftstrafen von Orhan Dogan, Hatip Dicle, Leyla Zana und Selim Sadak wurden bestätigt. Die Abgeordneten Mahmut Alinak und Sirri Sakik sind bereits auf freiem Fuß. Die Verteidiger kündigten gestern an, die Europäische Menschenrechtskommission in Straßburg anzurufen.

Die Verurteilung im vergangenen Jahr erfolgte in einem Schauprozeß mit groben Verfahrensfehlern. Zuvor hatte die türkische Ministerpräsidentin Tansu Çiller die Abgeordneten als Mitglieder der illegalen PKK denunziert. Die kurdische „Partei der Demokratie“ (DEP), der sieben von acht Abgeordneten angehörten, war zuvor verboten worden.

Das neue Urteil kommt der türkischen Regierung gelegen. Die Rehabilitation aller Abgeordneten wäre einer Bankrotterklärung der türkischen Kurdenpolitik gleichkommen. Andererseits hat die EU die Zustimmung zur Zollunion mit der Türkei von der Freilassung der Abgeordneten abhängig gemacht. Durch den Hinweis auf die Freilassung von zwei Abgeordneten und die „Unabhängigkeit der Justiz“ kann die türkische Regierung nun auf Entgegenkommen hoffen. Mahmut Alinak sprach von einem „doppelten Spiel“ für die Zollunion. Die grüne Europaabgeordnete Claudia Roth nannte das Urteil einen „Schlag ins Gesicht für alle, die sich für eine demokratische Türkei einsetzen“. Ömer Erzeren Kommentar Seite 10

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