Banges Warten auf Genesung

■ Bremens Einkaufs-City ist weiter auf dem absteigendem Ast.

Um die Attraktivität einer City zu messen, kann man zum Beispiel PassantInnen zählen. Das hat jetzt der City-Makler Kemper's getan in seiner „Frequenz Analyse“: In 40 deutschen Städten wurden an einem sonnigen Freitagnachmittag im Mai die PassantInnen gezählt, und zwar nur in der besten Geschäftslage der Stadt, in Bremen also in Obern- und Sögestraße. „Oh“, sagt die Bremer Innenstadtentwicklerin Marianne Grewe-Wacker vom Wirtschaftsressort, als sie das Ergebnis hört. Denn Bremen ist von Platz 10 (1992) auf Platz 23 (1995 ) gerutscht. Sicher, auch Hamburg rutschte einige Plätze runter, ebenso Hannover (auf Platz 9). Doch Bremen rutschte auch beim Ertragsindex, also bei der Rentierlichkeit, von Platz 16 auf Platz 31. Die Innenstadt ist also nicht attraktiver geworden in den vergangenen drei Jahren. Dabei gibt es so viele schöne Pläne für neue Geschäftsflächen...

Doch ob Bahnhofsvorplatz, Polizeihochhaus, gar Promotionpark – die Realisierung dieser Pläne liegt in weiter Ferne. Konkret sind nur zwei Projekte: die Langenstraße und das Banken-Passagenviertel. Die Langenstraße zwischen Marktplatz und Martinistraße präsentiert sich ab November ohne Stolperkanten und ohne parkende Autos. Aber auch mit mehr Geschäften? „Naja“, druckst der Referent für Städtebaumaßnahmen im Bauressort, Götz Neuber, „das ist eben immer das Problem des Verhältnisses zwischen unseren Initiativ-Investitionen und dem, was die Anlieger daraus machen.“ Mit anderen Worten: keine Spur von Anrainern, die in ihre Häuser Ladenlokale einbauen wollen. Zwar wollte sich Peek & Cloppenburg schon 1991 zur Martinistraße hinunter erweitern – doch dann investierte man lieber erstmal in den neuen Ländern.

„Typisch Bremer Stadtplanung“, sagt der grüne Fraktionssprecher Dieter Mützelburg, einst selbst heftiger Befürworter der Langenstraße: „Die Langenstraße ist mit viel Mühe und Geld zur Fußgängerzone umgebaut, wird aber als solche nicht genutzt, wozu auch... Links und rechts der neugepflasterten Straße ist ja nichts passiert.“ Man habe sich nicht rechtzeitig um interessante Anbieter gekümmert bzw. habe man existente verprellt. Interessenten und Ideen habe es durchaus gegeben – ob Kulturforum mit Galerien im Erdgeschoß oder ein Café-Veranstalter...

Ohnehin würde die Langenstraße, sollte sie sich doch noch mal zur Geschäftstraße entwickeln, nur 1b-Lage. Was Bremen aber braucht, da sind sich StadtplanerInnen und Kaufleute einig, sind mehr 1a-Lagen. Denn mit 250 Mark pro neuvermietetem Quadratmeter bekommt man vor allem Filialisten in die Stadt, die sich solche Mieten eben leisten können – Ketten also wie Jeans Ranch oder Bijou Brigitte, Pimkie oder die Schuhketten. Nun braucht zwar jede Großstadt auch ihre Masseneinkaufsstraße, sagt Marianne Grewe-Wacker, aber muß es gleich die ganze Obernstraße sein? Laut Kemper's sind in der Obernstraße bereits 82,3 Prozent aller Läden Filialen. Filialen geben einer City auch nicht gerade ein unverwechselbares Profil.

Nun hoffen alle auf das einzig konkrete Flächenerweiterungs-projekt, die Landesbank-Passage. Die soll Domshof und Sögestraße miteinander verbinden und 1997 fertig sein. Doch auch hier unkt Dieter Mützelburg von den Grünen: „Die Bremer Passagen sind zu eng konzipiert, wer will denn da schon stehenbleiben, viel zu wenig Aufenthaltsqualität im Vergleich etwa zu Mailänder Passagen.“ Ohnehin halte man Leute nicht nur durch Läden in der City – aber wieviel „Kenipen für hinterher“ gibt es denn in Bremens Innenstadt? Wieviel Konzertveranstalter jenseits der Glocke? Und wieviele Theater, mal abgesehen vom Packhaus im Schnoor? „Da ist viel versäumt worden“, meint Mützelburg.

Lauter vertane Chancen. Nicht nur, was den „verklinkerten Beton“ des Teerhofs anbelange. Beispiel Domshof: In den 80ern, als der Domshof umgebaut werden sollte, gab es ja schon all diese Ideen, die man nun äußerst mühsam und kostspielig umzusetzen versucht, so Mützelburg: Da wurde vorgeschlagen, den Domshof zu „öffnen“, indem man die Erdgeschoße der Banken mit Läden bestückt, indem der Markt bis abends läuft und man Bänke und Bäume pflanzt... Doch dann hätten die Stadtplaner ihr Veto eingelegt: Auf historische Plätze gehöre kein Grün, der Domshof sei eine Düne und müsse als solche kenntlich bleiben ...

Ach, seufzt Mützelburg, „Bremen und seine Kaufleute sind eben absolut risikoscheu.“ Wenn er nur an die ungenutzten, eigentlich lauschigen Treppenabgänge zwischen Obernstraße und Langenstraße denkt – dort verbreiten Parkplätze triste Atmosphäre. Parkplätze, die meist Kaufleuten gehören. Die wollen dort aber nicht investieren – denn wer will schon der erste sein, der eine neue Passage aufmacht. Doch die Zeit drängt: „Der Facheinzelhandel hat jetzt schon das dritte Jahr ein Minus zu verzeichnen“, sagt Marianne Grewe-Wacker vom Wirtschaftsressort besorgt. cis