Basisdemokratie nach Tagesform

■ Vera van Hazebrouck ist mit „Lust und Laune“ die neue Managerin der Deutschen Kammerphilharmonie/ Doch wie sie fünf Millionen auftreiben will, bleibt ihr Geheimnis

Eigentlich ist Vera von Hazebrouck, 41, Agraringenieurin. Doch dann lockte das aufregende Kulturmanagement. Ausgebildet in Wien, war sie tätig bei einer Münchner Konzertagentur, dem Schleswig-Holstein Musikfestival und zuletzt als persönliche Referentin bei dem Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper Unter den Linden, Daniel Barenboim. „Da kam das Angebot aus Bremen, ob ich Lust und Laune hätte, die Nachfolgerin von Hannes Nimpuno zu werden“. Die demokratischen Strukturen der Deutschen Kammerphilharmonie waren ja bekannt, und sie war sofort begeistert: „Das ist einzigartig in der Orchesterlandschaft. In Berlin und auch sonstwo kommt ja alles von oben“. Für sie ist es neu, in diesem brodelnden Klima zu arbeiten, „wo es keine Verbeamtungen gibt, wo die MusikerInnen buchstäblich um ihr Leben spielen, jedesmal.“

Das große Wort von der Basisdemokratie, mit der die Kammerphilharmonie hier antrat, stimmt das noch so angesichts immer härterer Anforderungen, auf dem freien Markt Geld verdienen zu müssen? „Diese Strukturen bleiben unverändert. Jedes Projekt wird besprochen und abgestimmt, auch mit dem künstlerischen Leiter Thomas Hengelbrock. Natürlich kommt es in der täglichen Arbeit vor, daß ich Entscheidungen ohne Vollversammlung treffen muß.“

Die Existenz der Kammerphilharmonie steht zwar keinesfalls auf dem Spiel, aber die finanzielle Situation ist unsicher. Es stehen immer noch versprochene Sponsorengelder aus – die werden wahrscheinlich nicht mehr kommen und sind vor allem nicht einklagbar. Und niemand in der Stadt glaubt, daß die bremische Subvention von 1,3 Millionen Mark noch erhöht werden kann. Woher nimmt Vera van Hazebrouck denn überhaupt die Hoffnung, daß sie das schaffen wird? Sie vertraue, sagt sie, auf die „begeisterte und begeisternde Bremer Institution“, immer sei überall zu hören, daß die Kammerphilharmonie gewollt ist. „Das können nicht alles Lippenbekenntnisse sein“. Auch seien 850 Abonnenten eine beeindruckende Zahl.

Ihr derzeitiges Ziel ist, die 1,3 Millionen Mark auf 1,8 zu erhöhen; die Kammerphilharmonie erwirtschaftet 70 % ihres Gesamtetats durch auswärtige Konzerte selbst. Bis wann will sie das geschafft haben? „Ich kenne die Leute hier ja noch gar nicht. Schwierig wird allerdings, daß die jetzige Vertragssituation 1996 endet, ich aber schon für 1998 planen muß. Das heißt, wenn da Verträge abgeschlossen werden, müssen die fünf Millionen jetzt sicher sein“.

Auf welcher Basis werden eigentlich die MusikerInnen bezahlt? „Wir zahlen nach Tagessätzen, wenn Proben oder Konzerte sind. Wer nicht spielt, kriegt auch kein Geld. Wir garantieren allerdings einen Mindestsatz“. Das Problem, die künstlerische Besonderheit und Qualität ohne Kompromisse zu erhalten, ist dieser Konstruktion immanent. Daher entwickeln die MusikerInnen der Kammerphilharmonie auch vielfältige Aktivitäten der Standortsuche, um sich zu vermarkten; vielleicht zu viele.

Ute Schalz-Laurenze