Hoppensack war „nicht befugt“

■ Fall Akan: Gutachter sieht Mitschuld des Sozial-Staatsrates

Trägt der Sozial-Staatsrat Hans-Christoph Hoppensack Verantwortung für die Verschleppung der lebensrettenden Leber-Operation des Asylbewerbers Akan oder nicht? Auf feuerrotem Papier haben gestern die Mitglieder der Sozialdeputation über 100 Seiten Gutachten des Oberstaatsanwaltes Jeserich zu lesen bekommen, der sechs Wochen lang die Beteiligten befragt hatte. Im März 1994 hatte Akan in Bremen Asyl beantragt, über ein Jahr lang schoben die Behörden die Akte von Schreibtisch zu Schreibtisch und drückten sich davor, eine 300.000 Mark teure Leber-Transplantation zu genehmigen. Akan „ist zunehmend nervöser geworden“, stellt der Gutachter fest – er wußte von seinem Wettlauf mit dem Tod. In der Türkei war er, so hatte er seinen Asylantrag begründet, von einem Gefängnistransport ins Krankenhaus geflüchtet (vgl. taz 19./22.8.).

Akan, der kaum deutsch sprach, wurde monatelang durch den Irrgarten deutscher Sozialbürokratie geschickt. Am 24.10.94 notierte der Justitiar der Sozialsenatorin, es sei „anzuraten, sich um eine beschleunigte Abwicklung des Asylverfahrens zu bemühen“, um die Operationskosten zu sparen. Die Referentin Wiechert widersprach vier Tage später: „Er befindet sich im Endstadium, eine andere Möglichkeit gibt es nicht.“ Noch drei Wochen bis anderthalb Jahre betrage seine Lebenserwartung.

Zwei Wochen später befaßte der Abteilungsleiter den Staatsrat mit dem Fall. Hoppensack überflog den kleinen Teil der Akte, den er hatte, und vermerkte: „Wie hoch sind die Kosten der Nachbehandlung?“ Und Hoppensack fragte an, „welche Gründe“ es hatte, daß sich Akan schon am 17.2. im Krankenhaus behandeln ließ, aber erst am 24.3. seinen Asylantrag abgab.

Die Referentin Wiechert geht davon aus, daß ihr Votum – die Sozialbehörde muß die Operation bezahlen – nicht den Segen des Staatsrates hat. Sie läßt die Akte auf ihrem Schreibtisch herumliegen – Akan war in seiner Suche nach der lebensrettenden Operation nach Schweden weitergeflüchtet. Als er zurückkam, fand das Amt für Soziale Dienste die Akte nicht. Am 26.6.1995 starb Akan.

Der Staatsrat Hoppensack, so der Gutachter, hat sich doppelt falsch verhalten: Er hat Fragen gestellt, die „irrelevant“ sind für die Entscheidung (warum Akan vor Stellung des Asylantrages ins Krankenhaus ging). Und Überhaupt: Der Staatsrat „durfte die Sachbearbeitung auch nicht etwa persönlich an sich ziehen“. Die Begründung dafür liegt im staatlichen Organisationsprinzip der „Delegation der Verantwortung“. Und in dem vorliegenden Fall zeigt sich, warum das sinnvoll ist: Der Staatsrat hat sich eingemischt, ohne den Fall wirklich zu kennen. K.W.