GEW und ÖTV von Scherf „verhöhnt“

■ LehrerInnen sollen genausoviel arbeiten – für weniger Geld / ÖTV kündigt Solidarpakt auf

Die Zeichen stehen auf Konfrontation. Gestern haben die GEW und dann auch die ÖTV angekündigt, daß sie die „Solidarpakt“-Gespräche platzen lassen wollen. Besonders sauer ist die GEW: Zwei Stunden mehr sollen die Lehrer unterrichten, steht in der Giftliste des Finanzsenators, gleichzeitig will Scherf den Lehrern wie allen Beamten schmackhaft machen, 9 Prozent weniger zu arbeiten bei Lohnverzicht. 9 Prozent, das sind aber ziemlich genau zwei Stunden. Eine „Verhöhnung“, sagt GEW-Sprecher Heiko Gosch.

Hinzu kommt, daß in einem „Kooperationsvertrag“ festgelegt worden ist, unterschrieben von GEW und Bildungssenator Henning Scherf am 3. Mai 1995, daß gemeinsam nach einer Flexibilierung der Arbeitszeit gesucht wird und solange - so der Wortlaut des Vertrages – „keine Anhebung der Pflichtstundenzahl“ erfolge. Selbst die Koalitionsvereinbarung vom Juni bestätigt ausdrücklich diesen Vertrag. „Vertragsbruch“ bedeute die Giftliste, sagt die GEW.

Und in der Sache eine Katastrophe für die Bildung: Derzeit ist der Altersdurchschnitt der LehrerInnen bei 50. Die Anhebung der Stundenzahl „spart“ Geld, wenn drei Jahre lang frei werdende Stellen nicht neu besetzt werden. „Dann unterrichten Großväter ihre Enkel“, spottet Gosch. Der Alternativ-Vorschlag von Scherf, die Bildungsbehörde solle selbst andere Spar-Ideen entwickeln, sei die „zweite Verhöhnung“: Etwa 600 Stellen will Nölle gestrichen wissen, „ein Einsparvolumen in diesem Umfang ist in den Schulen nicht zu erwirtschaften“.

Es sei denn, man geht wie Nölle vor: Wenn rückwirkend (zum Schuljahr 1995/96!) die Vorklassen und die Betreuungsprojekte gestrichen werden, dann sei dies ein „bildungspolitischer Kahlschlag“. Rein finanzpolitischer Unsinn auch, sekundiert GEW-Sprecherin Jasmina Wöbbekind: Wenn die Vorklassen aufgelöst würden, müßten die Kinder ja in einer Kita untergebracht werden. Schon jetzt kann Bremen den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz nicht einlösen.

Die GEW sagte gestern früh ihre Teilnahme an der nächsten Runde der „Solidarpakt-Gespräche“ ab und kündigte gleich einen Protestmarsch für kommenden Dienstag, 11 Uhr, vor dem Rathaus an.

Nicht ÖTV-Bezirkssekretär Holger Wohlleben, der Arbeitsdirektor bei der BLG werden will, sondern ganz unüblich für Gewerkschaften nur sein Stellvertreter Jan Kahmann hat auch im Namen von GdP und DAG nachgezogen: „An weiteren Gesprächen“ werde man sich nicht beteiligen. Begründung: Wenn der Senat erst die Arbeitszeit der Beamten verlängern wolle, um sie dann ohne Lohnausgleich zu reduzieren, sei dies „Lohnraub“. Auch die CDU schickte gestern einen weiter bisher nicht besonders in Erscheinung getretenen Abgeordneten namens Uwe Siefert vor, um klarzustellen, daß sie als Koalitionspartner nie den „Solidarpakt“-Vorschlag unterstützt habe. Das sei allein Scherfs Idee. Die CDU sei für eine Nullrunde bei den Lohnerhöhungen.

Fragt sich, worüber in den ersten beiden Sondierungsrunden im Beisein der CDU geredet wurde. GEW-Sprecher Gosch berichtete gestern, im Juni hätten Scherf und Kudella unter „Solidarpakt“ angeboten, durch Teilzeit-Regelungen auch Neueinstellungen zu ermöglichen. Schon im Koalitionsvertrag habe sich das anders gelesen.

Im September bei der 2. Runde seien die Gewerkschafter dann mit eine „Tischvorlage“ überrascht worden, in der es nur noch Stellenstreichungen gab. Nachdem die Gewerkschafter das „verdaut“ hätten, sei klar geworden, daß so mit ihnen nicht zu reden ist. K.W.