Die Reise mit der Mouse

■ Eine Sightseeingtour durch Würzburg und ein virtueller Stadtspaziergang

„Wirklich neue Ferienziele gibt es nur noch in der Phantasie“, meinte schon vor etlichen Jahren der Freizeitforscher Horst W. Opaschowski. Die Freizeitindustrie wird dies gern gehört haben, denn die vielen leistungsstarken neuen PCs wollen auch mit experimentellem Unterhaltungsstoff gefüttert werden.

Da schiebt frau eine neue CD- Rom ins Gerät und sieht sich plötzlich aufgefordert, geradewegs am Reiseziel spazierenzugehen. „Machen sie einen virtuellen Stadtrundgang.“ Also rein ins Bild. Auf dem Bildschirm öffnet sich ein Ausschnitt. Es bewegt sich darin etwas wie im echten Leben. Nur zu. Der Filmer, der hier etwas wacklig die alte Mainbrücke bis rüber zur Altstadt abgelichtet hat, bin ich selbst. Mit der Mouse in der Hand sehe ich mich etwas unsicher um, drehe und wende mich, nähere mich dem erstbesten Brückenheiligen. Und weil ich dabei merke, daß ich sogar gehen kann, marschiere ich einfach los, über die Brücke rüber.

Ein Mouseklick bringt mich schnell weiter. Die Leute neben mir sind längst weg. Daß die sich gar nicht bewegt haben, wird mir erst später klar. Nun tut sich die Altstadt vor mir auf. Links und rechts schöne alte Häuser. Ich kann mir die Fassaden genau ansehen, bis hoch zu den Dächern. Als gute Touristin gehe ich zielstrebig auf den Dom zu. Doch an der Eingangspforte ist erstmal Schluß. Um reinzukommen, suche ich mir auf dem Stadtplan den Dom aus. Klick, und wieder ein Panoramabild. Diesmal vom Inneren des Doms und in dunklen, bläulichen Farben. Ich sehe in das Video rein, das man mir zur näheren Erläuterung anbietet. Jetzt läuft tatsächlich der übliche Film ab. Dürftige Informationen zur Geschichte des Doms, aber schön gesprochen und mit Barockmusik unterlegt. Dann steige ich wieder in meinen Ausschnitt ein und sehe mich auf eigene Faust um. Klicke mich mal hier und mal da in einen Winkel des Doms ein, laufe einfach so herum zwischen Bischofsgrabmalen, Altären und Taufbecken. Überall komme ich natürlich nicht durch, eine Abkürzung zwischen den Stuhlreihen ist nicht drin. Der Schöpfer, der die virtuelle Welt schuf, hat mir knallhart vorgegeben, wo und wie ich mich zu bewegen habe. Daß ich die Krypta trotzdem nicht finde, macht mich nicht ärgerlich. Würzburg ist groß. Und es gibt insgesamt 30 Attraktionen zu bestaunen.

Erste Ermüdungserscheinungen im Schatten des Doms: Ich stehe auf dem Domplatz und finde den Weg zurück nicht mehr, geschweige denn die Fortsetzung der Sightseeingtour. Vielleicht müßte mir irgend jemand die phantastische Kamera vom Gesicht nehmen. So kreisle ich bloß noch um die eigne Achse, den Blick fest am Sucher. Ich sichte ein Kaffeehaus. Das wär's jetzt: ein Kaffee. Doch da führt kein Weg hin. Ich hole mir aus der Küche etwas zu trinken und plaziere mich wieder am Computer. Oder führt etwa ein Weg an der Erkenntnis vorbei, daß vor allem gutes Sitzfleisch die Tugend der schönen neuen Mobilität ist? Christel Burghoff

Der „CityTraveller“ wird voraussichtlich im Dezember 1995 im Computerfach- und im Buchhandel erhältlich sein, Krick-Verlagsgruppe Würzburg, Preis ca. 50 DM