"Letztlich bin ich eine Art Volksvertreter"

■ "ZAK"-Moderator und Borussia-Fan Friedrich Küppersbusch über kopflose Kritiker, grob fahrlässige Verschwendung von Sendezeit, Rockmusik, Brillen, Briefkästen und anderes. Ausgequetscht haben ihn

taz: Wer muß denn jetzt Angst haben vor diesem Interview: wir oder Sie?

Friedrich Küppersbusch: Hmmm. Muß denn überhaupt jemand Angst haben?

Meinen Sie nicht, daß einige Ihrer Gäste das Studio mit schlotternden Knien betreten?

Meine Gäste müssen nur Angst haben, wenn sie in der Vergangenheit Scheiße gebaut haben und nun befürchten, ich könnte Ihnen auf die Schliche kommen. Nö, Angst habe ich vor Ihnen nicht, denn ich erwarte nicht, daß Sie jetzt meine Stasi-Akte ziehen.

Aber mit Kritik können Sie schon umgehen.

Es gibt Kritik, die ich akzeptieren kann. Dann nämlich, wenn ich wirklich schlecht war. Manchmal jedoch macht die Kritik es auch leicht, sie abzulehnen: Wenn sie selbst offenbart, mit wie erstaunlich vielen Körperteilen Menschen fernsehen können. Der Kopf nämlich kann es manchmal nicht gewesen sein. Aber keine Angst: Dem „Verein für faire Presse“ von Klaus-Jürgen Wussow muß ich nicht beitreten, weil ich auch nicht jeden Tag [aber jeden zweiten?, d. s-in] bei der Bild-Zeitung anrufe und denen erzähle, was ich alles Tolles beim Zahnarzt erlebt habe.

Dafür haben Sie gerade ein Buch namens „Bis hierher vielen Dank“ veröffentlicht. Ihre Sammlung der schönsten Anmoderationen aus „ZAK“ kann man unserer Meinung nach nur verstehen, wenn man Sie und Ihre sehr spezielle Art der Moderation kennt – wir haben uns beim extremen Schnellesen ertappt ...

Haben Sie auch Haarausfall gekriegt beim Lesen?

Ja, und unsere Nasen wurden ganz lang.

Irre. Genau das wollte ich damit erreichen.

Und daß man Ihre Moderationen als Kunstform verstehen lernt.

Sagen wir mal so: Große Konzerne geben für 30 Sekunden Werbung einen sechsstelligen Betrag aus, und nochmal soviel für die Leute, die den Spot konzipieren. Und auf unserer Seite des Schreibtisches versucht man häufig, diese halbe Minute lediglich „rumzukriegen“. Da sehe ich ein Mißverhältnis.

Sie würden gerne auch so viel Geld bekommen?

Genau. Erstens ist das eine schwere Menschenrechtsverletzung, hahaha, und zweitens ist es mir immer wieder unbegreiflich, wenn jemand ein Magazin moderiert und nicht mehr zu sagen hat als: „Und nun zu einem ganz anderen Thema.“ Das ist grob fahrlässige Verschwendung, denn diese 30 Sekunden sind ein Geschenk des Himmels.

Würden Sie im Falle eines Falles eher Werbung für Füllfederhalter oder für öffentlich-rechtlichen Nahverkehr machen?

Ich habe einen Blanko-Absage- Formbrief. Den bekommt jeder, der bei mir anfragt, ob ich nicht als Werbemodell herhalten möchte. In dem steht sinngemäß, daß das einzige, was an mir interessant ist, mein Image ist. Ich halte es zwar nicht für die Realität, aber dieses Image existiert, und es besagt, daß wir in „ZAK“ unterschiedslos auf alles draufhauen, wo es Spaß macht. Überlegen Sie doch einmal: Wer sollte schon mit mir Werbung machen? Und: für welches Produkt überhaupt?

Sagen Sie schon! Füllfederhalter oder öffentlich-rechtlichen Nahverkehr?

Das ist ja ein schöner Wortwitz.

Den hatten wir eben schon einmal gebracht.

Wirklich? Witzigerweise habe ich ja tatsächlich schon einmal abgelehnt, an einer Kampagne für das Fahrradfahren mitzuwirken. Ich bekenne: Ich fahre lieber Auto.

Und die Videoaufzeichnungen Ihrer Sendungen archivieren Sie in Buchrückenimitaten?!

Was?! Nein, Pappschuber, klassisch schlicht.

Aber für die Westkurve würden Sie als bekennender Borusse schon Werbung machen, für Dauerkarten.

Letztlich macht der Umstand, daß ich ins Stadion gehe, eher Werbung für mich. Sie können sich ja heute nicht mehr in den öffentlichen Raum wagen, ohne dieses intellektuelle „Ich gehe auf die Südtribüne, ich bin normal geblieben“ als Glaubwürdigkeitsbeleg vor sich herzutragen.

Sie suchen aber doch dort das Volksnahe.

Nö, das suche ich da nicht.

Aber Sie finden es dort.

Es ist einfach schön, auch einmal mit einem anderen Körperteil als dem Gehirn zu denken.

Mit welchem denn?

Erst mit den Füßen – denn alles bebt ja, wenn alle trampeln – dann mit dem Bauch, und dann kommt vielleicht irgendwann der Kopf dran.

Um Sie einmal unvorbereitet zu erleben: Reden wir über Rockmusik.

Also ...Rocker sind meistens Spießer.

Darf man daraus den Schluß ziehen, daß Sie selbst viel Musik hören?

Also, ich bin Vollspießer, mähe den Rasen und höre auch gerne Musik. Und wie bei den meisten Menschen ist bei mir der Musikgeschmack irgendwann zwischen dem 24. und 26. Lebensjahr eingefroren. Das beklage ich ein wenig.

Und wo genau fror Ihr Musikgeschmack ein?

Bei Alte-Männer-Musik. Bryan Ferry, Mike & The Mechanics und Dave Stewart. Tut mir leid, daß ich nicht mit Spannenderem dienen kann.

Dave Stewart trägt im Gegensatz zu Ihnen eine Brille. Auch Sie müßten eigentlich eine tragen. Weshalb tun Sie es nicht?

Bei meiner Einschulung wurde beim Sehtest erst mein linkes Auge zugehalten. Da konnte ich stolz sagen: Das ist eine Möhre, das ist eine Eisenbahn, und das ist eine Zitrone. Ja, sagt meine Mutter, der hat Mutters gute Augen geerbt. Dann hat man mir das andere Auge zugehalten, und ich fragte: Wo ist die Tafel?! Und dann sagte meine Mutter, und das ist von Zeugen verbürgt, „also deshalb rennt der Junge immer gegen Briefkästen“. Bei uns oben an der Straße war nämlich ein Briefkasten an der Wand, halbhoch gehängt, und da bin ich ein paarmal gegengelaufen.

Das sieht man Ihnen aber gar nicht an.

Doch, doch. Soll ich mal meine Zähne herausnehmen?

Das ist ja dramatisch.

Ich habe dann also eine Zeitlang eine Brille getragen, aber da sich die beiden Augen auseinanderentwickelten, bekam ich vom Brilletragen nur Kopfschmerzen.

War die Brille auf der linken Seite zu schwer?

Ja, das war so eine Art Glasbaustein. Ich konnte nicht mehr räumlich sehen. Das war auch der Grund, weshalb ich im Fußball nie Tore geschossen habe. Noch schlimmer wurde es, als man es mit mir im Tor ausprobierte.

Jetzt schießen Sie verbale Tore.

Nein, ich sehe das als jounalistisches Handwerk, schließlich habe ich zu entscheiden, welche Fragen wirklich wichtig sind. Ich muß mir immer bewußt sein, daß da eineinhalb Millionen Leute vor dem Fernseher sitzen, die sagen: „Wenn ich dem mal im Supermarkt begegnen würde, würde ich das und das fragen ...“

Also sind Sie im wahrsten Sinne ein Bürgerrechtler?

Naja, letztlich bin ich in dem Moment eine Art Volksvertreter. Ich vertrete das Volk, das eben nicht das Privileg besitzt, jede Woche einen von den Onkels mal persönlich zu befragen.

Offiziell gelten ja diese „Onkels“ als Volksvertreter.

An der Stelle vertrete ich das Volk.

Und der Onkel nicht.

Doch, kann er auch machen. Wäre ja schön, wenn er es tun würde.

Aber er tut es nicht.

Weiß ich nicht, das kann das Volk ja dann am Ende des Interviews entscheiden.