: Makabres Monopoly
Bonn will die Schwächsten gegeneinander ausspielen: Der Bund bittet die Kommunen zur Kasse, die sparen dann bei Flüchtlingen ■ Von Vera Gaserow
Berlin (taz) – Ein makabres Kompensationsgeschäft zwischen Bund und Ländern ist gestern von der Mehrheit des Bundestages abgesegnet worden. In erster Lesung passierte ein Gesetzentwurf der Regierungskoalition das Parlament, der drei der sozial schwächsten Gruppen gegeneinander aufwiegt. Arbeitslose und Schwerstbehinderte sollen vom Bund weniger Geld bekommen, weil das aber die Sozialhilfekassen der Kommunen belastet, dürfen Länder und Gemeinden im Gegenzug bei der Sozialhilfe für Flüchtlinge drastisch kürzen.
„Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und anderer Gesetze“ heißt der gestern debattierte Paragraphenmix. Seine Kernpunkte: Die originäre Arbeitslosenhilfe wird gänzlich gestrichen. Diejenigen, die vor ihrer Arbeitslosigkeit nicht oder nur kurze Zeit berufstätig waren, gehen künftig leer aus. Ein Großteil der Betroffenen wäre damit auf Sozialhilfe angewiesen, für die die Kommunen aufkommen müssen. Die 800 Millionen Mark, die der Bund dadurch jährlich spart, bescheren den Kommunen jedoch Mehrkosten von 533 Millionen im Jahr. Zusätzlich sollen Länder und Gemeinden auch für Teil zwei des Sparpakets aufkommen: Der Bund streicht die Mittel für die unentgeltliche Beförderung von Schwerstbehinderten in seinen öffentlichen Verkehrsmitteln. Kosten für die Kommunen: 230 Millionen.
Für die millionenschwere Last, die der Bund Ländern und Gemeinden damit zuschiebt, sollen sie an anderer Stelle in gleicher Höhe entlastet werden. Asylbewerber bekommen künftig für die gesamte Dauer ihres Verfahrens 20 Prozent weniger Sozialhilfe als Deutsche. Darüber hinaus sollen auch alle Flüchtlinge, die nur über eine aufenthaltsrechtliche Duldung verfügen, zwei Jahre lang nur gekürzte Leistungen erhalten.
Ursprünglich sollten auch Bürgerkriegsflüchtlinge unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen. Auf Drängen der FDP ist diese Gruppe jetzt zwar ausgeklammert. Tatsächlich bleibt nur ein privilegierter Kreis der Bürgerkriegsflüchtlinge von den Maßnahmen verschont: Diejenigen, für die Bund und Länder einen formellen Abschiebestopp beschlossen haben – das sind derzeit nur Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina und Kurden aus dem Irak.
Rund 260.000 Flüchtlinge mehr als bisher sollen nach dieser Gesetzesänderung von einer Sozialhilfe unterhalb des deutschen Mindeststandards leben. Erstmals gibt die Regierungskoalition auch schriftlich zu, daß die Maßnahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes nicht nur Geld sparen, sondern auch kosten: Die Auszahlung der Sozialhilfe in Form von Sachleistungen, ein Kernpunkt des Gesetzes, verschlingt jährlich Organisations- und Verwaltungskosten von 500 Millionen Mark.
Wenn jetzt weitere Flüchtlingsgruppen statt mit Bargeld mit Eßpaketen und Wertgutscheinen versorgt werden, verursacht das weitere Mehrkosten von 250 Millionen pro Jahr. Als „ausgeklügelte Perfidie“ kritisierte die sozialpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Andrea Fischer, die geplante Umverteilung zwischen Arbeitslosen, Behinderten und Flüchtlingen. Auch die SPD lehnte den Gesetzentwurf ab, der am 20. November im Gesundheitsausschuß beraten wird.
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