„Eine Abschiebung wäre ein Todesurteil“

■ Asylrecht ohne Gnade: Ein Bremer Rentner wollte einen Pakistani adoptieren, damit er nicht abgeschoben wird – vergeblich

Der Pakistani Mohammen Islam war Asylbewerber in Bremen. Mohammed Islam hatte Glück: Er fand einen Menschen, der sich um ihn kümmerte, den Bremer Erich Lindenau. Der wollte den schwer zuckerkranken Pakistani sogar adoptieren. Doch Mohammed Islams Glück war nicht groß genug. Als er einen Bekannten in Nordrhein-Westfalen besuchen wollte, wurde er aufgegriffen, in den Abschiebeknast gesteckt und Anfang September nach Pakistan abgeschoben. Die taz sprach mit Erich Lindenau.

taz: Seit wann haben Sie nichts mehr von ihm gehört?

Erich Lindenau: Seit dem 8. September. Ich habe den Antrag vorgezeigt, daß ich ihn adoptieren will. Die Anwältin hatte den Antrag auf Duldung gestellt mit Hinweis auf seine Krankheit, er leidet an Diabetis mellitus. Ein Abschieben nach Pakistan würde einem Todesurteil gleichkommen, weil dort die Versorgung mit Insulin nicht gewährleistet ist. Das ist ein armes Land. Er hat am Tag vorher noch dreimal angerufen, ich habe noch um acht Uhr ein Fax an Ministerprädient Rau gerichtet. Um halb neun wurde er trotzdem ins Flugzeug gesetzt und abgeschoben. In meinen Augen ist das ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Und was ist seitdem?

Ich weiß es nicht. Ich habe nichts gehört. Er hatte von den Behörden noch Insulin für 14 Tage mitbekommen. Der Vorrat muß am 22. September zuende gewesen sein. Was er dann gemacht hat – ich weiß es nicht.

Warum setzen Sie sich so für Mohammed Islam ein? Sind Sie ein politisch engagierter Mensch?

Ich war Kaufmann, habe Lebensmittel verkauft. Ich kenne Mohammed Islam sehr lange, ich will ihn adoptieren.

Wie haben Sie ihn kennengelernt?

Im Krankenhaus. Zufällig. Er hatte eine Herzverletzung gehabt, ein Inder hatte ihm überfallen. Deswegen war er monatelang im Krankenhaus. Seit Juli 1992 wohnte er bei mir.

Wie kam es dann zu der Abschiebung?

Er war im Frühjahr nach Hagen gefahren, um einen alten Landsmann aufzusuchen, ohne Erlaubnis. Ich wußte nichts davon. Das ist ein nicht genehmigter Ausflug. Er wurde kontrolliert und in NRW Sicherungshaft genommen, sieben Monate lang. Obwohl das keine Straftat ist, allenfalls eine Ordnungswidrigkeit.

Warum dann die Inhaftierung?

Man fürchtete, er würde untertauchen. Obwohl er bei mir die Wohnung hatte. 1990 hatte das Oberverwaltungsgericht seinen Asylantrag abgelehnt. Damals war er zur Ausreise verpflichtet worden. Danach ist er nach Holland gegangen und hat dort Asyl beantragt. Ich habe ihm dorthin Geld geschickt und auch Post bekommen. Seine Geschwister und seine ganze Familie wohnen in Schottland. Als er jetzt aufgegriffen wurde, da sind die Behörden davon ausgegangen, er sei die ganze Zeit hier untergetaucht gewesen. Aber er war ja in Holland.

Sie wollen ihn jetzt adoptieren...

Ja.

... damit er hierbleiben kann?

Das auch, aber das ist nicht der eigentliche Grund.

Warum dann die Adoption? Er ist doch schon 30 Jahre alt.

Wir verstehen uns sehr gut, ich habe ihn zwei Jahre während einer Drogenabhängigkeit versorgt, er durfte immer wieder zurückkommen. Was meinen Sie, was ich da erlebt habe... Wie oft wollte er sich verbrennen. Ich habe beträchtliche Summen bezahlt, damit er nicht Diebstähle begehen muß. Das kann nur jemand verstehen, der das selbst mitgemacht hat. Seit dem 14. April braucht er keine Psychopharmaka mehr, das hat der Anstaltsarzt bestätigt.

Weiß seine Familie, wo er jetzt ist?

Nein.

Warum hat die Ausländerbehörde Bochum, in deren Bereich er inhaftiert war, nicht gewartet, bis die Adoption entschieden war?

Ich weiß es nicht. Im Mai hat meine Anwältin auch den Antrag auf Duldung für ihn eingereicht mit der Begründung, eine Abschiebung würde einem Todesurteil gleichkommen. Die Ausländerbehörde hat an das Gesundheitsamt geschrieben und nachgefragt, ob in Pakistan die Versorgung mit Insulin gewährleistet wäre. Die Gesundheitsbehörde hat dazu völlig unverbindlich versichert, man habe durchaus in Pakistan die Möglichkeit, sich ärztlich behandeln zu lassen. Er braucht nach deutschem Geld 100 Mark im Monat.

Was machen Sie jetzt? Warten?

Was raten Sie mir?

Fragen: K.W.