„Nicht immer draufknallen“

■ Weniger Produkte, mehr Ordnung: Die deutschen Designer formulierten bei ihrem Bundeskongreß in Bremen ein neues Selbstbild

Design ist der schön geschwungene Kaffeekessel, ist der stromlinienförmige Sportwagen und die griffige Armatur am Waschbecken. Design ist Produktdesign – mit dieser verkürzten Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit leben die Designer seit Jahrzehnten. Ihre eigenen Arbeitsfelder aber haben sich längst differenziert und weit verzweigt. Weg vom Kaffeekessel, hin zur viel komplexeren Gestaltung von Images. Design als Beratungsleistung für Unternehmen: Das, so behaupten einige der Marktführer der Branche, ist die Zukunft. Wie diese zunehmend abstrakte Dienstleistung des „Corporate Design“ an den Mann zu bringen und der Öffentlichkeit verständlich zu machen ist, das erörterte der 2. Kongreß des deutschen Designer-Dachverbandes DDV am Wochenende in Bremen.

Dabei gelang es den rund 250 Teilnehmern tatsächlich, das schwammig anmutende Tagungsmotto „Design integriert“ mit konkreten Anregungen zu füllen. In den Designprozeß integrieren möchte man zunächst einmal die Unternehmen resp. Geldgeber: „Wir brauchen mehr design-minded Leute in den Unternehmen“, forderte Dieter Rams, Präsident des Rates für Formgebung. Um mehr Integration müssen sich aber wohl auch die Mitglieder der Zunft selbst mühen. Teamwork statt Einzelkämpfertum, Verbandsarbeit statt Zersplitterung in einzelne Interessensvertretungen: „Der ganzheitlich orientierte Designer ist gefordert“, so der Grafikdesigner Fried Hoven.

Als populäres Paradebeispiel für diese Art „intergrierten Designs“ diente dem Kongreß das neue Erscheinungsbild der Deutschen Telekom. Die neuen Telefonhäuschen und das allgegenwärtige rosa „T“ seien da nur die Spitze eines riesigen Eisberges, wie Jürgen Häusler von Zintzmeyer & Lux (Bonn) erläuterte. Seit fünf Jahren arbeitet die Agentur u.a. an der Systematisierung der alten und neuen Telekom-Produkte. Umso schwieriger, als man hier eine „Leistung, die meistens unsichtbar ist, sichtbar machen“ müsse: das Übertragen von Daten.

Das klingt nach großem Wurf und lukrativem Geschäft. Für die Designer aber ist dies in der Regel „ein sehr kleinkarierter, ein sehr bescheidener Prozeß“, versicherte Häusler den Kollegen. Bevor überhaupt an Gestaltungsfragen gedacht werde könne – magenta oder doch lieber gelb für die Häuschen? –, müsse man erstmal die wirklichen Wünsche des Auftraggebers ausloten. Denn der habe, entgegen der in Designerkreisen vorherrschenden Meinung, meist „ein extrem diffuses Problembewußtsein“. Typische Frage eines im Designbüro aufkreuzenden Kunden: „Ich glaube, wir haben ein Imageproblem – was können Sie für uns tun?“

Was als Design am Ende sichtbar wird, erscheint oft entsprechend kompromißlerisch. Mit dem Erscheinungsbild der neuen Telekom-Zellen zeigte sich Häusler selbst nicht ganz zufrieden. Polemiken wie die seines Kollegen Michael Erlhoff wies er dennoch als kurzsichtig zurück. Wer über die „grauen Zellen“ herziehe und dabei gleich in einem Aufwasch die gesamte „corporate identity“ der Telekom zerreiße, gehe fehl: Die neue, umfassende Designerleistung „ist nicht an einzelnen Logos meßbar“.

Aber auch an anderen Maßstäben nicht. Auch dieses Problem machte der Kongreß deutlich: Alle reden von C.I., aber verläßliche Bewertungskriterien gibt es noch nicht. Ob ein neues Image wirklich umsatzsteigernd oder publikumswirksam sei, das, so Häusler, „hat noch nie jemand genau nachgewiesen.

So mußten die Kongreßteilnehmer auch den Worten von „Metadesign“-Chef Erik Spiekermann schon gutwillig Glauben schenken. Der behauptete, die neue Gestaltung des Netzplans für den (Gesamt-)Berliner Nahverkehr, die sogenannte „Spinne“, habe endlich mal Ordnung in die verfahrene Sache gebracht. Zugleich ein Beispiel dafür, daß die Aufgabe von heutigen Designern nicht in der Gestaltung immer neuer Produkte bestehe: „Nicht immer draufknallen und dazutun, sondern Ordnung schaffen“, lautet Spiekermanns Credo.

Seine Berliner Firma, rund 120 Mitarbeiter stark, sieht Spiekermann denn auch als Musterbeispiel integrierten Designs. Grafiker, Setzer, Fotografen, Industriedesigner und Konzeptionisten arbeiten hier in Teams zusammen. „Nicht alles selbst machen, aber alles delegieren können“ – das ist Spiekermanns Rat an seine Zunft.

Und das sollen sich bereits die Berufsanfänger hinter die Ohren schreiben. Nicht jeder müsse sich ja gleich nach absolviertem Design-studium selbständig machen. Die jungen Leute würden dabei nämlich nicht ihre eigenen Chefs, sondern „nur ihre eigenen Sklaven“. Die kleine, auf Hochtouren rotierende Zweier-Agentur, der sogenannte „Mom & Pop-Shop“ („Er macht das Design, Sie schreibt die Rechnung“), habe ausgedient, so Spiekermann. Die Abhängigkeiten freilich bleiben erhalten, wenn auch in anderem Maßstab. Bevor er einen großen Auftrag ablehne, gab Spiekermann zu, müsse er heute auch „an die 120 Leute denken, die ich zu bezahlen habe“. Thomas Wolff