Nachschlag

■ Jo Fabians „Pech. Vogel. Kleist.“ als Gastspiel im Hebbel Theater

Kleist-Spielwerk, ein Scherenschnitt Foto: Thomas Aurin

„Ich war ihnen ein gutes Rätsel“, lobt sich der in der Ritterrüstung, als er in seiner Lebensbeichte von einer Begegnung mit Fremden erzählt. Er habe sie beobachtet, sie mit Steinchen beworfen, sich dann zu ihnen gesetzt, einen Fisch geraucht und geschwiegen. Später sei er weitergezogen, um woanders stehenzubleiben und Briefe zu schreiben, „an all jene, die unbedingt wissen wollen, wo ich gerade stehe“. Ein postmoderner Parzival, dessen Monolog in der Mitte von Jo Fabians Inszenierung „Pech. Vogel. Kleist“ plaziert und wohl nicht zufällig als „Blaupause“ apostrophiert ist. Diese Szene voll unbeholfen poetischer Sinnlosigkeit ist das Modell der ganzen Inszenierung.

Der Konzeptchoreograph Fabian, dessen Gruppe example dept. den Berliner Spielort im Theater unterm Dach verloren hat und jetzt frei flottiert, hat im Kleist Theater Frankfurt/Oder auf einer Scherenschnitt-Bühne einen Bilderreigen um den Mythos des Doppelselbstmordes von Heinrich von Kleist und Henriette Vogel abgezirkelt, der für drei Tage im Hebbel Theater zu sehen war. Mit sechs SchauspielerInnen und Objekten wie einem Schreibtisch, aus dessen Schubladen sich meist Musik des Greenaway-Komponisten Michael Nyman ergießt, zeigt Fabian ein betont nebensächliches Nummernprogramm. Mit Selbstdarstellungen, die vage Motive aus Kleists Leben aufgreifen, konkurrieren die DarstellerInnen um Aufmerksamkeit, fallen aus ihren Rollen und wieder hinein, und zweimal wird etwas in einem Vogelkäfig verbrannt: ein Kleist-Spielwerk, das im Theater motorisch und charmant den Leerlauf des Theaters beweisen und die Tradition des Absurden in der Postmoderne auflösen will. In Frankfurt/ Oder – zumal als Eröffnung der Kleisttage – mag das irritiert haben, im Hebbel Theater indes ist man mit dekonstruktiven Ansätzen durchaus vertraut. Menschen tun Dinge. Das kann poetisch sein. Ein Rätsel ist das nicht. Petra Kohse