Bürger contra Bürokratie

■ Diskussion über geplante Verwaltungsreform: Rechtsamtsleiter opponieren gegen Verwaltungsreform.

Die Berliner BürgerInnen sollen der Verwaltungsreform auf die Sprünge helfen. Zu Beginn einer Veranstaltungsreihe über die zukünftige Verwaltung Berlin-Brandenburgs forderten drei renommierte Verwaltungswissenschaftler am Wochenende in der Humboldt-Universität „mehr politische Mitgestaltungsrechte“ für die Objekte der Bürokratie. Der Service für die Bürger müsse besser, Akteneinsicht und Verfahrensbeteiligung sollten erweitert werden. Die erst 1994 begonnene Umgestaltung der Mammutadministration an der Spree lahme bereits, so die Kritik.

Die Teilnehmer des Colloquiums machen sich Sorgen, „daß der Reformprozeß ins Stocken gekommen ist“. Die Leitungsgremien der „Unternehmen Berlin“ genannten Reform haben – wegen des Wahlkampfes – seit drei Monaten nicht mehr getagt. Franz-Josef Pröpper von der Unternehmensberatung Price Waterhouse ergänzte, daß sich „im Berliner Projekt der juristische Widerstand formiert“. Er komme „im Kleide der Verfassungswidrigkeit daher“. Pröpper bezog sich damit auf einen gemeinsamen Brief der Leiter der Rechtsämter an den Regierenden Bürgermeister Diepgen, wonach die Verwaltungsreform teils verfassungswidrig sei.

Die Verwaltungsreform zielt darauf, den Amtsleitern mehr Kompetenzen zu geben. Sie sollen künftig wie Manager über personelle und sachliche Mittel frei verfügen können. Das soll mehr Bürgernähe schaffen – beißt sich aber mit der stark an Vorschriften orientierten deutschen Verwaltungstradition. Die Reform ist vor allem den leeren Kassen geschuldet. Das anachronistische Haushaltsrecht soll sich verändern. Die Bezirke haben seit diesem Jahr Globalhaushalte, die sie unabhängig vom Finanzsenator gestalten können – mit denen sie aber auch auskommen müssen.

Die Diskussionsteilnehmer problematisierten in ihrem Colloquium die Verwaltungsreform und die parallele Fusion mit Brandenburg radikal. „Ohne den Vereinigungsdruck“ mit Brandenburg drohten wichtige Reformschritte auf die lange Bank geschoben zu werden, meinte Christoph Reichard von der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft.

Helmut Wollmann von der Humboldt-Uni forderte eine „konsequente Entbeamtungspolitik“. Beamte sollten nur in „verfassungsrechtlich unumgänglichen“ Tätigkeitsfeldern arbeiten. In den Ministerien sollten künftig etwa keine Beamten mehr arbeiten, forderte Werner Jann von der Uni Potsdam.

Jann erinnerte an die „leidvolle Geschichte“ von Verwaltungsreformen. Das „Unternehmen Berlin“ finde statt „auf einem Ruinenfeld von überzogenen Versprechungen und Zynismus“. Gegen den „ungestörten Lobbyismus der Insider“ seien das Personal und die BürgerInnen an der „Reformkoalition“ zu beteiligen. Ein Teilnehmer sagte es kürzer: „Wie kann die civil society für das Projekt gewonnen werden“? cif