■ Israelischer Geheimdienst tötet Jihad-Führer Shakaki
: Und immer weiter: Auge um Auge ...

Auge um Auge, Zahn um Zahn. Allen Friedensschalmeien zum Trotz, der alttestamentarische Racheschwur hat im Nahen Osten seine Gültigkeit noch nicht verloren. Die Ermordung des Generalsekretärs der Untergrundorganisation Jihad al-islami, Fathi Shakaki, ist das Werk des israelischen Geheimdienstes Mossad.

Die israelische Regierung hat dies in sonst unüblicher Weise bestätigen lassen: durch eine entsprechende Meldung im Fernsehen und nicht zuletzt durch den knappen Kommentar von Ministerpräsident Yitzhak Rabin, der erklärte, der Tod des Jihad- Führers sei wenig bedauerlich.

Das blutigste Attentat von Jihad al-islami war die Ermordung von 21 Menschen am 22. Januar 1995 bei Natanya. Dieser Anschlag wiederum war die Vergeltung von Jihad für die Ermordung ihres intellektuellen Führers, Hani al-Abed, im Oktober 1994 im Gazastreifen, ebenfalls durch den israelischen Geheimdienst. Der Zeitpunkt des jetzigen Anschlags war gut gewählt. Zwar galt Shakaki als Statthalter des Iran in der Organisation und Verfechter einer harten Linie gegenüber Israel. Doch von Jihad-Aktivisten wurde ihm vorgeworfen, ein Stillhalteabkommen mit Arafat geschlossen zu haben. Tatsächlich wurden zahlreiche Jihad-Aktivisten von der palästinensischen Autonomiebehörde freigelassen. Seit Monaten gab es keine Anschläge mehr. Aber ebensolange brodelte der ideologische Grundsatzstreit in der Untergrundorganisation. Der Mangel an politischem Erfolg schwächte die Kohärenz der islamistischen Organisation.

Den israelisch-palästinensischen Friedensprozeß tangiert dieser Mord gleichwohl. Zu einer Zeit, da Hamas von seinem spirituellen Führer im israelischen Gefängnis, Scheich Ahmed Yasin, aufgerufen wird, sich an den palästinensischen Wahlen zu beteiligen und den Kampf gegen Israel einzustellen, gießt dieser Mord Wasser auf die Mühlen der Radikalen. Hamas wird sich solidarisieren müssen. Der islamistischen Opposition droht eine Zerreißprobe. aber auch Arafats Dialog mit seinen innerpalästinensischen Widersachern wird schwieriger. Seine Verhandlungen zur Einbindung der islamistischen Opposition werden weiter erschwert. Trotz der demonstrativen Genugtuung auf israelischer Seite: Staatliche Morde können kein Mittel der Friedenspolitik sein.

Jihad al-islami hat Rache geschworen. Wieder: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Die Organisation ist schwer getroffen. Aber ein angeschlagener Boxer ist bekanntlich unberechenbar. Georg Baltissen