Death, God, Suicide usw.

■ Anne Clarke, Ikone des Düster-Pop, machte ihr alljährliches Bremen-Konzert zum öden Ritual/ Wählen Gruftis gern schwarz?

Jedes Jahr im Herbst dasselbe: Irgendwann fallen einem die Anne-Clark-Plakate im Stadtbild auf, und man fragt sich, ob die noch aus den 80ern da hängen, oder ob die traurige Synthie-Pop-Dichterin aus England wirklich immer noch Musik macht. Klarheit konnte sich verschaffen, wer in der vergangenen Woche durch die geisteswissenschaftlichen Trakte der Bremer Uni flanierte: „Gehst du auch zu Anne Clark ins Modernes?“ wurde dort in allen Gängen geraunt, und: „Ja, klar. Puh, dreißig Mark, aber man gönnt sich ja sonst nichts.“ Erinnerungen an die Jugend sollten wohl wach werden, an die Dekade der schwarzen Garderobe, der schicken Betrübtheit und der melancholischen Elektroklänge.

Beim Konzert selbst mußte man sich bang fragen, ob die damalige Kleiderordnung inzwischen auf die politische Gesinnung ihrer TrägerInnen abgefärbt hat. An der „Modernes“-Theke war eine eine Gruppe Alt-80er-Twens zu belauschen, die sich inbrünstig darüber austauschten, warum sie „das letzte Mal“ nicht FDP sondern CDU gewählt hätten.

Zur Zeitreise lud bereits die Vorgruppe „Blind Passengers“ aus Berlin ein. Die eine Hälfte der Mitglieder sah aus wie „Depeche Mode“, die andere wie „Alien Sex Fiend“. So klangen sie dann auch: Eingängiger Dark-Pop mit comichaftem Verzweiflungsgesang und einer Gitarre, die man zwar sehen, aber nicht hören konnte.

Hätte man aber geahnt, mit welch lustloser Routine anschließend Frau Clark an ihr Programm gehen würde – man hätte sich lieber noch eine Weile die quirligen Berliner gegeben. Clarks vielköpfige Band spielte die Songs so perfekt, als hätte jemand eine Platte aufgelegt. Lediglich der Gesang war anfangs grausig abgemischt, so daß das Background-Lalala lauter war als die mit Nachdruck ausgestoßenen Offenbarungen der Frontfrau. Aber die findige Tonperson hatte den Sound schnell im Griff, wodurch bald rein akustisch gar nichts mehr anzeigte, daß hier ein Live-Konzert stattfand.

Anne Clark bediente sich kräftig aus dem Poesie-Leichtgemacht-Baukasten; Schlagworte wie „suicide“, „soul“, „God“, „rain“, „death“, „live“ und ähnliches waren stets gut rauszuhören. Zugute halten konnte man ihr wenigstens, daß sie durchweg kurzen Prozeß mit ihren Songs machte: War die Lyrik vorbei, war auch das Lied vorbei.

Fürs Auge wurde mehr geboten. Als wäre sich die Sprechsängerin ihrer dürftigen Musikalität bewußt gewesen, hatte sie sich eine extra Wagenladung Scheinwerfer mitgebracht, die wirklich schöne Scheine warfen. So mochte man manches Mal glauben, das ausgelassene Gejubel des Publikums galt nicht der Künstlerin, sondern der Light-show. Andreas Neuenkirchen