„Schlimmstes Kriegsverbrechen“

■ UN-General Janvier empfahl Preisgabe Srebrenicas

New York/Den Haag (dpa/afp/ taz) – „Sechs Wochen, bevor die bosnischen Serben Srebrenica überrannten und Tausende seiner Einwohner ermordeten, empfahl der UN-Oberbefehlshaber für das ehemalige Jugoslawien den UN- Diplomaten, die Muslimenklave preiszugeben und die anderen sogenannten ,Sicherheitszonen‘ in Bosnien ihrem Schicksal zu überlassen.“ Dies berichtete der Londoner Independent in seiner gestrigen Ausgabe. General Bertrand Janvier habe diesen Vorschlag bei einer Besprechung hinter verschlossenen Türen am 24. Mai in New York gemacht. Eine Kopie der vertraulichen Stellungnahme des Generals liege dem Independent vor.

Der offen ausgedrückte Wunsch, die Enklaven aufzugeben, ließen nach Auffassung von UN-Diplomaten keinen Zweifel daran, daß Srebrenica absichtlich aufgegeben worden sei. Der Independent wertet den Fall von Srebrenica als „tiefste Erniedrigung des Westens in Bosnien und als das wohl beschämendste Ereignis in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg“.

Auch die New York Times schrieb, westliche Offizielle und Menschenrechtsgruppen hätten die Vorgänge um Srebrenica nach dem 10. Juli als „das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg“ beschrieben. Die New York Times hatte am Sonntag berichtet, nach dem Fall Srebrenicas seien „möglicherweise 6.000 Menschen“ von bosnischen Serben ermordet worden. Muslimische Männer seien zu Tausenden mit Lastwagen abtransportiert, zu bestimmten Plätzen am Drina-Fluß gebracht, zu viert aufgereiht und erschossen worden. Der 17jährige Nezad Avdić habe einen serbischen Soldaten mit den Worten zitiert: „Das war eine gute Jagd. Es gab eine Menge Kaninchen in dieser Gegend.“

Die Karadžić-Serben haben nach einem Bericht der New York Times von gestern versucht, bei Srebrenica Spuren der Massenhinrichtung zu beseitigen. Es bestehe der Verdacht, daß sie zersetzende Chemikalien auf Leichen geschüttet sowie Leichen entfernt hätten.

Niederländische UN-Soldaten in Bosnien haben nach eigenen Angaben Hinrichtungen durch die bosnischen Serben beobachtet. Das Verteidigungsministerium in Den Haag veröffentlichte die Aussagen der Blauhelme gestern in einem Untersuchungsbericht zum Fall Srebrenicas. Danach sah einer der Blauhelme, wie Soldaten der Armee von Serben-General Ratko Mladić einen Zivilisten auswählten und durch einen gezielten Schuß in den Nacken oder in den Hinterkopf töteten. jv