Deutscher Paß bei der Geburt

■ Koalition ist uneins über Staatsbürgerschaftsreform. Fortschrittliche CDUler wollen deutschen Paß für Immigrantenkinder. Entscheidung dann bei Volljährigkeit

Bonn (taz/AFP) – Das CDU- Präsidiumsmitglied Johannes Gerster hat seine Partei aufgefordert, bisherige Positionen im Staatsangehörigkeitsrecht aufzugeben und einer Liberalisierung zuzustimmen. Kinder der dritten und vierten in Deutschland lebenden Ausländergeneration sollten automatisch einen deutschen Paß bekommen, sagte Gerster der Tageszeitung Die Welt. Dieser Personenkreis solle die deutsche Staatsangehörigkeit zusätzlich zu ihrer angestammten erhalten. Im Alter von 17 oder 18 Jahren müßten sich die Betroffenen dann für eine entscheiden.

Eine Gruppe junger Abgeordneter der CDU im Bundestag hat ähnliche Vorschläge formuliert. Die FDP fordert ebenfalls eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Auch die SPD verlangte gestern eine Novellierung (siehe Kasten).

Die langgeplante Reform des Staatsangehörigkeitsrechts ist in der Koalition heftig umstritten. Hauptstreitpunkt ist die von Innenminister Kanther vorgeschlagene „Kinder-Staatszugehörigkeit“. In den Genuß dieses neuen Rechtsstatus sollen Kinder kommen, deren Eltern die letzten zehn Jahre rechtmäßig in Deutschland gelebt haben sowie Kinder, deren Vater oder Mutter in Deutschland geboren ist. Mit der „Kinder- Staatszugehörigkeit“ für hier geborenen Zuwanderernachwuchs wird zwar eine Gleichstellung mit der deutschen Staatsangehörigkeit angestrebt, letztlich aber nicht erreicht. Bestes Beispiel dafür: Den Betroffenen soll kein Reisepaß, sondern lediglich ein Personalausweis zugebilligt werden, in dem die Staatszugehörigkeit vermerkt ist. Die FDP lehnt den Kanther-Vorschlag ab. Nach den Vorstellungen der Freidemokraten sollen hier geborene Ausländer der dritten Generation neben der Staatsangehörigkeit der Eltern mit der Geburt automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Wenn sie volljährig sind, müssen sie sich dann in einem angemessenen Zeitraum für eine der beiden Nationalitäten entscheiden. Voraussetzung ist, daß ein Elternteil in Deutschland geboren wurde. Hardliner in der Unionsfraktion halten eisern an der Kinderstaatszugehörigkeit fest, um eine doppelte Staatsangehörigkeit zu vermeiden. Dagegen schlagen junge CDU-Politiker einen liberaleren Kurs ein. Die Abgeordneten Peter Altmaier, Eckart von Klaeden und Norbert Röttgen wollen, daß alle Kinder von seit langem und rechtmäßig hier lebenden Ausländern per Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit neben der der Eltern bekommen sollen. Diese Regelung soll auch gelten, wenn nur der sorgeberechtigte Elternteil in Deutschland lebt. Wenn diese Kinder volljährig geworden sind, sollen sie sich – wie in dem FDP- Vorschlag – für eine Staatsangehörigkeit entscheiden.

Auch was die erleichterte Einbürgerung von seit langem in der Bundesrepublik lebenden Ausländern angeht, zeigen die jungen Unions-Abgeordneten einen eher großzügigen Ansatz. Schon nach zehn Jahren sollen hier lebende Ausländer unter bestimmten Bedingungen einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung haben. Bisher war dies erst nach 15 Jahren möglich. Die Liberalen wollen einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung nach acht Jahren durchsetzen. nin