Ist die europäische Stadt für Berlin verloren?

■ Hans Stimmann, Hans Kollhoff und Dieter Hofmann-Axthelm über Berliner Entwicklungsprobleme

Vor knapp zwei Jahren explodierte der Streit über das zukünftige Aussehen Berlins in den nationalen Feuilletons und Fachzeitschriften. Von „Neu Teutonica“ (Arch+) auf der einen und „Neuer Sachlichkeit“ (der Architekturtheoretiker Lampugnani) auf der anderen Seite war da die Rede, die sich schnell in ideologische Grabenkämpfe und persönliche Beleidigungen vergrub. Scheinbar unversöhnliche Begriffspaare bildeten sich heraus, die noch heute vielfach die Diskussion bestimmen: Steinernes Berlin gegen zeitgenössisches Bauen, kritische Rekonstruktion gegen Aufbruch ins nächste Jahrtausend, fortschrittlich gegen reaktionär, nationalistisch gegen kosmopolit, Machtkartell gegen Vielfalt lauteten die Schlagworte der vielfach für die Öffentlichkeit unverständlich geführten Debatte.

An vorderster Front beteiligt an diesem Diskurs waren die drei Referenten, die Montag abend in der Freien Akademie der Künste beim Hamburger Architekturgespräch die Probleme der Stadtplanung Berlin vermitteln sollten: der Senatsbaudirektor Hans Stimmann, der Architekt Hans Kollhoff und der Theoretiker Dieter Hofmann-Axthelm. Und sie alle drei waren sichtlich bemüht, den Streit zu zerkleinern und von diametralen Positionen zu der ihm innewohnenden Komplexität zu führen.

Zentrales Stichwort der ernsthaften Diskurse wie der Spiegelfechtereien ist die „Europäische Stadt“. Was ist ihr besonderes Merkmal, was sind ihre Grundlagen und Qualitäten, wie kann man diese bewahren und unter dem massiven Kapitaldruck verteidigen, beziehungsweise soll man das überhaupt? Daß hier drei Befürworter dieses Leitbildes, wenn auch mit partiell sehr unterschiedlichen Positionen, beieinander saßen, führte zwar keineswegs zu einer geordneten Diskussion – dazu hätte man die Veranstaltung auch besser vorbereiten müssen. Aber daß keiner der umherziehenden Weltarchitekten, deren Markenarchitektur von einer fürchterlichen Ignoranz gegen bestehende Kontexte geprägt ist, die Gegenposition vertreten durfte, erlaubte immerhin, auf einem breiten Konsens die strukturellen Probleme von Stadtentwicklung zu beleuchten.

Und diese ergeben sich zuerst aus der Konfrontation mit den Investoren, deren natürliches Interesse die Renditen und nicht die Lebensqualität einer Stadt sind. Hier prallen dann das Verlangen nach großen Blöcken und repräsentativer Architektur auf die Wünsche nach gemischter Nutzung, Wohnen in der Innenstadt, kleinteiliger Bauweise und einem homogenen Stadtbild. Eine Politik, die hier ohne Vorgaben und Durchsetzungkraft das Feld dem freien Kapitalismus überläßt, verschuldet die Zerstörung der Stadt durch Monostrukturen und lebensfeindliche Räume.

Vor diesem Hintergrund warb Stimmann noch einmal für sein Konzept der kritischen Rekonstruktion und legte dar, mit welchen Schwierigkeiten er in Berlin zu kämpfen hat, zumindest ein Mindestmaß an Mischnutzung und urbaner Qualität gegen die Ansprüche der Geldgeber durchzusetzen. Gleichzeitig war er bemüht, den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, die der Stadtentwicklungspolitik „Versteinerung“ vorwerfen, indem er einfach einmal aufzählte, wieviele deutsche und internationale Architekten in Berlin bauen. Wobei er relativ unmißverständlich klar machte, daß der Kampf um sein Konzept einer dichten, gemischt genutzten, die örtliche Typologie respektierenden Stadt eigentlich schon verloren ist. „Die europäische Stadt bekommen wir nicht mehr hin“, resümierte Kollhoff pessimistisch den Stand der Dinge. Qualität im Einzelfall sei alles, was es noch zu erreichen gäbe. Till Briegleb