Privatrache im Polizeidienst

■ Polizist wollte Geschäftspartner mit Strafzetteln ärgern / Zu 10 Monaten verurteilt

Scheinbar ungerührt sitzt der 22jährige Polizist, der sich gestern wegen Verfolgung Unschuldiger vor dem Amtsgericht verantworten mußte, auf seinem Stuhl. Ruhig antwortet er auf die Fragen des Richters. Dabei verschränkt er gelegentlich die Arme wie einen Schutzwall vor der Brust – die einzige Gefühlsregung, die ihm während der knapp zweistündigen Verhandlung anzumerken ist. „Ich weiß nicht, wie mir das in den Kopf gekommen ist“, sagt der Angeklagte tonlos zum Richter. „Das war einfach Dummheit.“

Im April des vergangenen Jahres hatte der Polizist per Kleinanzeige von einem Mann vier gebrauchte Autoreifen für 200 Mark gekauft. Als er später feststellte, daß ein Reifen ein Loch hatte, rief er den Verkäufer an und wollte 50 Mark für den kaputten Reifen zurück. Als der Mann ablehnte, drohte der Angeklagte ihm: „Ich habe gesagt, daß ich Polizeibeamter bin, und daß er sicherlich noch mal von mir hören wird“, gibt er unumwunden zu. „Ich war eben wütend.“

Doch trotz seiner Wut bewahrt der Beamte einen kühlen Kopf. Er wartet dreieinhalb Monate. „Ich hatte gehofft, daß der sich nicht mehr an meinen Namen erinnert.“ Dann füllt der Polizist eine Verwarnung über 60 Mark wegen Falschparkens auf den Namen des Mannes aus, der ihm die Reifen verkauft hat. Um die Verwarnung „abzurunden“, setzt der Polizist nicht nur seine Unterschrift unter das Formular, sondern auch die Dienstkennziffer eines ahnungslosen Kollegen. „Da läuft ja auch noch ein Verfahren gegen den Beamten“, tastet sich der Richter behutsam vor. „Ja, ja“, nickt der Angeklagte. „Aber der hat davon nichts gewußt.“

Der Beschuldigte legt gegen die Verwarnung Widerspruch ein. Er kann beweisen, daß sein Auto zur Tatzeit in einer Werkstatt stand. Doch auch als dem Polizisten dieser Widerspruch vorgelegt wird, bleibt er bei seiner Aussage. Er beschließt sogar, dem Reifenverkäufer noch einen Denkzettel zu verpassen.

Im September – drei Monate nach der ersten Verwarnung – fährt er mit seinem Motorrad rund 40 Kilometer zu dem Haus des Mannes, der ihm die Reifen verkauft hat. Er notiert sich das Kennzeichen eines Wagens, der auf dem Hof steht. Ein paar Tage später füllt er noch eine Verwarnung über 60 Mark wegen Falschparkens aus. Der Reifen-Verkäufer ist zur angeblichen Tatzeit allerdings im Urlaub und kann später beweisen, daß sein Zweit-Wagen in der Garage seiner Eltern stand.

„Das waren ja Glücksumstände für den Geschädigten“, sagt der Richter zum Angeklagten. „Was wäre denn gewesen, wenn er keine Beweise gehabt hätte und die Sache vor Gericht gegangen wäre?“ „Dann hätte er wohl bezahlen müssen“, antwortet der Angeklagte achselzuckend. „Haben Sie denn allen Ernstes gedacht, das würde nicht auffliegen?“, will der Richter daraufhin wissen. Der Polizist zuckt wieder mit den Achseln. „Das war eben einfach Dummheit“, wiederholt er.

Eine Dummheit, mit der er sich vermutlich die Existenz ruiniert hat. Der Beamte ist vom Dienst suspendiert. Seine Chancen auf Wiedereinstellung sind „alles andere als rosig“ – betont der Verteidiger.

Es sei „sicherlich irrwitzig, auf Milde zu hoffen“, räumt der Anwalt ein. Ihm sei es auch nicht gelungen herauszufinden, was in seinem Mandanten „damals eigentlich vorgegangen sei“. Wegen des zu erwartenden Disziplinarverfahrens und der damit verbundenen „doppelten Bestrafung“ hält er eine Gesamtstrafe von sechs Monaten auf Bewährung für angemessen. Der Staatsanwalt fordert hingegen eine Gesamtstrafe von elf Monaten auf Bewährung. Der Angeklagte habe die Tat schließlich mit „Hartnäckigkeit“ verfolgt und sie vorher „bewußt geplant“.

Der Polizist blickt während des Plädoyers aus dem Fenster. Auch als wenig später das Urteil verkündet wird, verzieht er keine Miene. Zehn Monate, die zu drei Jahren auf Bewährung ausgesetzt werden. Außerdem soll der Angeklagte 40 Tage in einer gemeinnützigen Institution arbeiten.

Der Polizist nimmt das Urteil sofort an. Berufung will er nicht einlegen. Nur in dem jetzt anstehenden Disziplinarverfahren will er kämpfen. Das hat er schon während des Prozesses angekündigt. „Ich will auf jeden Fall im Polizeidienst bleiben. Für mich hat es in meinem Leben nie etwas anderes gegeben, als Polizist oder Pilot zu werden. Mein Vater ist Polizist. Ich bin doch damit aufgewachsen.“ kes