Senat droht mit 2.300 Entlassungen

■ Haushalts-Eckwerte für 1996/97: Mit der Giftliste ist nur das halbe Sparziel zu erreichen

Als gestern draußen vor dem Rathaus LehrerInnen und ProjektevertreterInnen lautstark gegen die angekündigte Sparorgie demonstrierten, als Henning Scherf in zarten Worten andeutete, daß an Kürzungen kein Weg vorbeigeht – da wurden drinnen im Rathaus noch ganz andere Grausamkeiten vorbereitet. Gestern hat der Senat die Eckwerte für den kommenden Doppelhaushalt 1996/97 beschlossen. Und die lassen Schlimmes erahnen: Entweder die Gewerkschaften machen beim Solidarpakt mit, oder es wird zu „betriebsbedingten“ Massenentlassungen von 2.300 MitarbeiterInnen aus dem Öffentlichen Dienst kommen.

Die heiß diskutierte Giftliste ist längst noch nicht das Ende der Sparorgie. Alle dort gemachten Vorschläge zusammengenommen bringen nur die Hälfte dessen, was bei den konsumtiven Ausgaben eingespart werden soll. Und es soll auch kein Entkommen geben. Henning Scherf: „Da können die Senatoren nicht sagen, uns fällt nichts ein. So kommen sie da nicht raus.“ Eine Tilgung der Bremer Staatsschulden von 17 Milliarden Mark soll es trotzdem nicht geben.

164 Millionen Mark sollen im kommenden Jahr eingespart werden. Davon soll ein rundes Drittel aus den Kürzungen im Personalbereich kommen. Erstens soll es keine Erhöhung der Löhne und Gehälter geben, zweitens sollen jährlich 400 Stellen wegfallen, drittens ist verhandelbar. Da sollen die Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes die Wahl haben: Entweder sie stimmen einem Solidarpakt mit Lohn- und Gehaltskürzungen zu, oder „wir müssen dann Leute rausschmeißen“, so Scherf. 2.300, so viele müßten es sein, um die Sparvorgaben zu halten. „Die Gewerkschaften können sich da nicht entziehen. Am Ende wird es sonst nur die Jungen treffen“ – weil man die Alten nicht entlassen könne.

Die Investitionen sollen dagegen stabil bleiben. Scherf: „Man kann nicht Großinvestistionen stornieren und mit dem Geld Schulbücher kaufen.“ Bleibt also nur der konsumtive Haushalt als Sparquelle übrig. Aus dem soll nun der große Rest geholzt werden. Dabei hat der Senat gestern zwar die Globalzahlen für die einzelnen Ressorts beschlossen, aber nicht die Giftliste aus dem Finanzressort. Die soll nunmehr nur ein Vorschlag sein, welche Grausamkeiten begangen werden könnten. Welche tatsächlich begangen werden, das soll nicht der Gesamtsenat, sondern das sollen die Senatorinnen selbst entscheiden dürfen. Im Senatsdeutsch heißt das: dezentrale Ressourcenverantwortung.

Aufatmen über die Zurückstufung der Giftliste wäre allerdings voreilig bei der Vorstellung dessen, was auf die Stadt im nächsten Jahr zukommt: Die Effekte der Einsparungen aus der Giftliste zusammengenommen reichen nämlich vorne und hinten nicht aus. Die würde zwischen 50 und 60 Millionen Mark bringen. Wenn die Vorgaben eingehalten werden sollen, müßte aber nochmal soviel in den Kassen klebenbleiben. Ulrich Nölle: „Jetzt erwarte ich Vorschläge aus den Ressorts.“ Und Scherf hält ihm dabei die Hand: „Das Sparen ist doch nicht allein Herrn Nölles Problem.“

Einzelne SenatorInnen haben zwar angekündigt, daß sie nicht die ganzen Vorgaben werden erbringen können, doch zugestimmt haben den Eckwerten letztlich alle aus der Landesregierung. Und nicht nur die. Bevor die Senatssitzung gestern offiziell eröffnet wurde, hatten auch die Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD im Rathaus Platz nehmen dürfen. Ergebnis: Sowohl Ronald-Mike Neumeyer als auch Christian Weber stehen hinter dem Senat. Dabei hatte gerade der SPD-Chef Weber gestern ordentlich Zunder bekommen. Bei einer Besprechung des Fraktionsvorstandes mit den SPD-SprecherInnen für die einzelnen Politikbereiche hatte es aus der Fraktion eine einhellige Ablehnung von Nölles Sparvorschlägen gegeben. Keine Nebensächlichkeit, schließlich ist es das Parlament, das den Haushalt am Ende beschließt. Doch dieses Signal spielte gestern im Senat keine Rolle mehr. Scherf an die Adressen der Regierungsfraktionen: „Die können nicht einer Koalitionsvereinbarung zustimmen und eine Regierung mitwählen wo klar ist: Wir stehen zum Sanierungsprogramm – und beim unangenehmen Teil sagen: Da sind wir weg.“ Und noch ist kein Ende in Sicht: 1997 sollen noch einmal 183 Millionen zusammengestrichen werden. J.G.